SWR1 Begegnungen

SWR1 Begegnungen

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag, ich bin Roland Spur von der Evangelischen Kirche und möchte ihnen heute Klaus Staeck vorstellen. Er ist seit 2006 Präsident der Akademie der Künste in Berlin und nach wie vor der bekannte Plakatkünstler, der nah dran ist an den Problemen und dem Nerv unserer Zeit.

Der Sicherheitswahn seit dem 11. September, hat sich auch die Welt verändert. Dass plötzlich also jeder auch wieder unter einer Art Terrorverdacht steht. Man muss sich mal klar machen, wenn diese Attentate da im Kölner Hauptbahnhof in den Vorortzügen tatsächlich geklappt hätten, hätten wir heute schon eine andere Republik. Und dass Ärzte jetzt plötzlich zu den Bombenlegern gehören wollen, ist eigentlich eine erschreckende Menschheitsbilanz.

Teil 1
Klaus Staeck ist nach eigenem Bekunden „unterwegs in Sachen Kunst und Politik“. Und er ist bekennender Protestant.

Ich bin jemand, wenn er an sein Christentum erinnert werden sollte, dann möchte ich, dass er das an seinen Taten beurteilt bekommt.

Seine Taten? Klaus Staeck stammt aus dem sächsischen Pulsnitz, aufgewachsen in der Industriestadt Bitterfeld. 1956 siedelte er mit 18 nach Heidelberg um, studierte Jura, wurde Rechtsanwalt. Und Künstler. Bekannt wurde er durch seine Plakate und Postkarten, eine satirische Auseinandersetzung mit der Politik. Seit 2006 ist er Präsident der Akademie der Künste in Berlin. Zur Kunst kam Klaus Staeck als Autodidakt, ein „Selfmademan“ – auch jetzt als Präsident?

Also ich bin in dieses Amt „geraten“, muss man geradezu sagen, schon aus einer protestantischer Ethik heraus – wenn man es ein bisschen überhöht jetzt ausdrücken möchte – auch aus Verantwortung heraus.

Von seinem Berliner Büro aus habe ich einen grandiosen Ausblick aufs Brandenburger Tor und den ganzen Pariser Platz. An der Wand hängt ein schönes, großes Selbstporträt des Berliner Malers Max Liebermann.
Der ist auch Präsident der Akademie der Künste gewesen. Bis ihn die Nazis 1933 aus diesem Amt und Haus vertrieben. Und Albert Speer da eingezogen ist. Der plante dort Hitlers Welthaupt „Germania“. Die neue Akademie der Künste ist heute ein Glasbau neben dem Hotel Adlon am Pariser Platz.
Aus Pflichtgefühl – sagt Klaus Staeck – sei er In dieses Amt „geraten“.

Und hier bei der Akademie war eine Situation entstanden, dass manche sogar von außen der Akademie die Existenzberechtigung bestreiten wollten. Nach dem Motto: „Die hat’s jetzt 310 Jahre gegeben – reicht das nicht eigentlich? So zerstritten wie die sind, und so wenig wir erkennen können, warum wir sie brauchen.“ Und das hat mich natürlich dann gereizt!

Neben seiner Tätigkeit in Berlin ist er Graphiker in Heidelberg. Warum die ganze Arbeitslast? Schließlich ist er ja nicht mehr der Jüngste.

Aber dieses Gefühl, etwas nicht bloß Vernünftiges zu tun, sondern etwas Notwendiges zu tun, und das nicht nur für sich selber. Denn das braucht’ ich eigentlich mehr jetzt – ich bin 69! Da muss man nicht mehr irgendwie jetzt darauf achten, ob man nun einen Orden mehr oder weniger an der Brust hat. Oder noch eine Ausstellung mehr oder weniger macht – ich hab jetzt über 3.000 gemacht – also da zählt man irgendwann nicht mehr, nein.

Ich verstehe, also weniger aus Ehrgeiz. Ein anderer Ansporn.

Teil 2
Klaus Staeck ist ein politischer Plakatkünstler. Mit seinen Arbeiten weist er auf Fehlentwicklungen und Probleme hin: „Was ist uns wichtig, und teuer?“ So erkennt er zum Beispiel den Sport als das Spielfeld unserer echten gesellschaftlichen Werte.

Das ist für mich nach wie vor eine unbegreifliche Tatsache, leider Tatsache, dass wir die angesehensten Bürger in diesem Staat auch sein können, ohne dass sie einen Cent Steuern zahlen hier. Viele Fernsehhelden, die ganze Fußball-WM, wenn Sie da mal geguckt haben: ein Großteil der Spieler, ein Großteil der Kommentatoren, da zahlt keiner mehr in Deutschland auch nur einen Cent Steuern, nehmen aber mit einer Selbstverständlichkeit sämtliche Leistungen der anderen Steuerzahler an Infrastruktur etc. in Anspruch.

Klaus Staeck hält daran fest, dass wir nicht bloß ein Gemeinschaftsgefühl brauchen, sondern dass Gemeinschaft gebaut, finanziert und erhalten werden muss, das, was früher so schön altmodisch die „Daseinsvorsorge“ genannt wurde.

Deshalb bin ich auch „seltsamerweise“ – für andere: seltsamerweise – jemand gewesen, der immer die Politik verteidigt hat. Weil ich sage: es kann doch nicht sein, dass wir der Wirtschaft alles überlassen! Die noch dazu dann zum Schluss keine Steuern mehr zahlt. Also welcher Konzern zahlt denn bei uns noch Steuern? Jedenfalls nutzen sie jede Chance, auch aus der Anonymität heraus der Konzernleitung, der Konzernleitung einer Tochter, wo der Mutterkonzern in sonst wo auf der Welt ist, wieso soll die sich irgendwie dem lokalen Geschehen noch dazu irgendwie verpflichtet fühlen? Das ist doch völlig absurd.
Da kann ein Klaus Staeck Jesu Wort aus der Bibel »Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist« aktuell so wiedergeben und sagen: »Gebt dem Steinbrück, was des Steinbrücks ist!« Denn Steuernzahlen gehört sich, gehört zur Verantwortung fürs Gemeinwohl.

Also ich will jetzt gar nicht mit der Frömmigkeit kommen. Bin kein Frömmler, schon mal gar nicht. Bin auch kein großer Kirchengänger. Sondern was mir Kraft gibt, worüber ich übrigens selber manchmal überrascht bin: offenbar habe ich eine gute Grundlage bekommen von meiner Familie. Eine relativ positive Einstellung.
Ich hatte sehr arbeitsame, nicht unbedingt sehr fromme Leute als Eltern. Sondern Leute, wo man sagte, einfach, bei bestimmten Dingen: „Das macht man, das tut man“, und bei anderen Dingen: „Das macht man nicht“.
„Na irgendwie werden die sich schon was bei gedacht haben und man muss es überprüfen.“ Also nicht unkritisch alles hinnehmen. Kein Kadavergehorsam!


Klaus Staeck bleibt unbequem, weil er an seiner Überzeugung festhält, Da sind harsche Kritik und Prozesse nicht ausgeblieben. Und sein Frust?

Also ich habe keine großen Erwartungen, sagen wir mal so, und gehöre zu den Leuten, die immer sagen, wenn ihnen was stört: »Ja, kann man da selber was dagegen tun? – Kann sein, dass es schief geht, der Versuch; da was zu ändern.
Aber: Scheitern ist keine Schande. Aber es nicht versucht zu haben wenigstens, das würde ich mir vorwerfen.« Und wenn Sie darin eine protestantische Haltung sehen, dann ist es das.


»Trägheit des Herzens, und des Geistes«, wie es in christlicher Sprache heißt, kennt er nicht.

Und ich bin zum Beispiel jemand, der auch nicht unbedingt so eine Ökumene um jeden Preis will. Ich gehöre zu den Leuten, die keinen Papst über sich brauchen. Niemals. Und wenn es – wer auch immer auf diese Idee kommen sollte, den Protestanten einen wie auch immer geläuterten Papst anzuempfehlen, dann würde ich sofort eine neue protestantische Gruppe gründen. https://www.kirche-im-swr.de/?m=2033
weiterlesen...