Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Manche Menschen finde ich anstrengend. Zum Beispiel die, die sich ständig selbst in den Mittelpunkt stellen oder die zu jedem Thema irgendwas zu sagen haben. Menschen, die immer alles anders haben wollen, aber selbst nichts oder nur wenig dafür tun. Oder auch die, die sich nicht einfach mal so freuen können und immer das Haar in der Suppe suchen.

Anstrengenden Menschen gehe ich am liebsten aus dem Weg. Doch das ist nicht immer möglich. Mit manchen Kollegen muss ich zusammenarbeiten und einen Weg finden, um mit ihnen auszukommen. Und auch mit Freunden oder in der Familie ist es nicht immer nur schön und einfach.

Ich habe mir angewöhnt morgens nach dem Aufwachen schon einmal an die Menschen zu denken, denen ich im Laufe des Tages begegnen werde. Die, die mir am Herzen liegen, aber eben auch die, die ich anstrengend finde. An manchen Tagen kommt da eine ganze Menge zusammen. Die Schüler und Kollegen in der Schule, an der ich Religionsunterricht gebe, die Sekretärinnen im Büro, Freunde, mit denen ich Musik mache… ich muss gar nicht an alle denken. Diejenigen, die heute wichtig sein könnten, kommen von ganz alleine. Ich sortiere auch nicht nach Sympathie. Im Gegenteil. Gerade die, mit denen ich mich schwer tue, haben einen Platz am Morgen. Und wenn ich all diese Personen so in Gedanken vor mir habe, dann nehme ich auch Gott mit dazu und versuche diese Menschen noch einmal mit seinen Augen anzuschauen. Meist verändert sich dadurch etwas. Denn dann ist die nervige Kollegin auch eine Frau, die von Gott geliebt wird. Die liebenswürdige Seiten hat, selbst wenn es mir schwer fällt, sie zu sehen.

Wenn wir uns dann begegnen, ist es ein wenig leichter für mich. Oft kann ich die andern gelassener aushalten. Und manchmal gelingt es mir auch, das, was mich so stört, in guter Weise anzusprechen.

Für mich hat dieser Moment am Morgen etwas damit zu tun, was schon der Apostel Paulus den Christen in Ephesus zugemutet hat. „Ertragt einander in Liebe!“, heißt es in seinem Brief an diese Gemeinde. Auch damals waren die Menschen nicht nur ein Herz und eine Seele. Das muss auch gar nicht sein. Doch ich möchte zumindest versuchen, den anderen zu ertragen. Mir gelingt das, wenn ich mir bewusst mache, dass auch dieser Mensch von Gott geliebt wird.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=20187
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