SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Richtig urteilen, wie geht das eigentlich?
Ich finde das nämlich gar nicht so einfach, andere Leute zu beurteilen.
Und doch ist es ja immer wieder angesagt, z.B., wenn ich in diesen Tagen die Zeugnisse für meine Schüler schreibe.
Richtig urteilen, ich glaube, das ist eine ganz große Verantwortung, die auch ich übernehme, wenn ich andere Leute beurteile.
Deswegen bin ich froh, dass ich bei Jesus einige hilfreiche Kriterien finde, wie ich dieser Verantwortung gerecht werden kann.
„Ihr sollt andere nicht verurteilen, damit Gott euch nicht verurteilt!“ lese ich in der Bibel, in der Bergpredigt. Da wird gleich deutlich, um was es geht. Urteilen ist oft nötig. Aber verurteilen – das ist etwas anderes. Das kann Menschen zerstören.
Für mich hört sich das so an, als hätte Jesus nur zu gut gewusst, wie schnell und gedankenlos so manches Urteil gefällt wird. Zack, und schon hat jemand seinen Ruf weg. Ich denke z.B. an eine Firmenchefin, die ihren Betrieb aufgeben musste. „Die Bankrotteurin“, wurde sie da von manchen genannt, wenn sie irgendwo auftauchte. Ein hartes Urteil, zumal ja gar nicht klar war, was zu der Insolvenz geführt hatte. Und was, wenn einem so etwas selbst passiert? Ein finanzieller Engpass? Einbußen beim Gehalt? Eine ausgebliebene Beförderung? Eine unfreiwillige Versetzung? Sowas geht ja manchmal ganz schnell. Und dann? Stecken die Leute dann auch die Köpfe zusammen?
„Mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch auch wieder messen.“ Vielleicht hat Jesus das so klar gesagt, weil er darum wusste, wie oft mit zweierlei Maß gemessen wird. Ein Gläschen über den Durst trinken – ach komm, was ist das schon. Und einem Kollegen mal am Samstag auf der Baustelle helfen – ein Freundschaftsdienst. Aber wenn das der Chef macht oder ein Politiker oder gar noch jemand von der Kirche, dann geht das gar nicht.
Heuchelei hat Jesus so etwas genannt: Den Splitter, den der andere im Auge hat, den sieht man. Dabei sollte man erstmal den Balken heraus ziehen, den man selber im Auge hat.
Richtig urteilen, für Jesus hat das ganz viel mit Barmherzigkeit zu tun.
„Vergebt, so wird euch vergeben!“ rät er und: „Gebt, so wird euch gegeben“.
Ich glaube, mit diesem Rat ist es sehr wohl möglich, eine klare, ehrliche Beurteilung zu finden: für seine Kollegen und Vorgesetzen und Schwiegerkinder. Und ebenso für Politiker und Fußballmanager. Weiß Gott ist das bei uns nicht alles sehr gut, sondern manches auch nur befriedigend oder noch schlimmer. Und da sind klare Worte manchmal auch angesagt.

Also: Empört euch - Aber eben nicht von oben herab, nicht selbstgefällig, sondern einfühlsam und solidarisch.
So könnte es aussehen, das richtige Urteilen, zu dem Jesus rät.

Und wie macht Gott das? Wie beurteilt er uns, was denkt er wohl über mich und wie ich lebe?
Eine wunderbare Geschichte stimmt  mich da ganz froh und zuversichtlich.
Eines Tages, so erzählt die Bibel, ist eine Frau zu Jesus gebracht worden, die Ehebruch begangen haben soll. Kein Wunder, waren es gerade die Männer, die sich furchtbar darüber empört haben. Sie wollten nun auch, dass Jesus sein Urteil über diesen skandalösen Fall abgibt. Er ist schließlich auch ein Mann, er müsste sich doch eigentlich dafür einsetzen, dass diese Frau hart bestraft wird, dachten sie vielleicht. Und wenn er wider Erwarten doch ein milderes Urteil fällen sollte, dann könnte es ja mit seinem Sinn für Recht und Ordnung nicht so ganz weit her sein.
Bestimmt hat sich Jesus da auch gefragt, wie das in so einer Situation geht: Richtig urteilen.
Und was hat er gemacht? Er hat sich auf die Erde gehockt und mit dem Finger irgendetwas in den Sand geschrieben. Herrlich, wie die Bibel das erzählt. Jesus hat sich einfach nicht provozieren lassen. Er hat sich nicht zu einem schnellen Urteil hinreißen lassen, wie es ja oft geschieht, wenn die Wellen der Empörung hochschlagen. Da kommt es ja oft zu Schnellschüssen. Jesus dagegen ist ruhig geblieben, bedacht, als hätte er in der aufgeheizten Stimmung erst mal die Luft raus lassen wollen.
Und dann hat er diesen berühmten Satz gesagt: „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“ Und sie sind alle gegangen! Einer nach dem anderen hat sich verdrückt. Und das war wohl auch gut so, denn so konnte Jesus mit der Frau alleine in aller Ruhe reden.
Ein Gespräch unter vier Augen. Keine Öffentlichkeit. Keine Bloßstellung.
Mir gefällt das sehr gut, wie Jesus mit der Frau umgegangen ist.
Das ist so diskret, so höflich.
Ja, die Frau war eine Ehebrecherin und hatte etwas Schlimmes gemacht, dieses Urteil konnte Jesus ihr nicht ersparen.
Aber er hat diese Frau nicht beschämt, sondern ihr dabei geholfen, es in Zukunft besser zu machen.
„Geh und sündige ab sofort nicht mehr!“ so hat er sie entlassen.
„Sündige ab sofort nicht mehr!“ Versuche es wenigstens! Versuche fair und anständig mit anderen umzugehen und in Zukunft nicht nochmal die Fehler zu machen, die dich jetzt so in die Bredouille gebracht haben!
Ja, ich hoffe darauf, dass Gott auch mir dazu hilft und die nötige Kraft gibt.
Kommen Sie gut  in die neue Woche! Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag!

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