SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Neulich habe ich mich selbst ertappt. Meine Kinder haben mich gefragt, was ich mir denn zum Geburtstag wünsche und was sie mir schenken könnten. Und dann ist mir tatsächlich herausgerutscht: „Ihr müsst mir nichts schenken. Ich hab doch alles, was ich brauche.“ Ertappt. „Ich hab doch alles, was ich brauche.“ Eigentlich hatte ich gemeint: Ich bin ganz zufrieden bin mit meinem Leben gerade. Aber die andern haben wahrscheinlich gehört: Ich habe genug. Ich brauche nichts mehr. Das klingt schon ziemlich überheblich. Und abweisend: Ihr braucht mir keine Freude machen.
„Ich hab doch alles!“ Inzwischen denke ich: Das ist eine falsche Bescheidenheit, die einen so reden lässt. Denn das stimmt doch überhaupt nicht, dass man irgendwann nichts mehr braucht. Wenn man es geschafft hat, wenn die Schäfchen im Trockenen sind, wie man so sagt. Und was ist das eigentlich für ein Lebensgefühl? Alles haben, was man braucht. Auf nichts angewiesen sein. Sein eigener Herr, sich selbst genug – und so satt, dass man scheinbar von anderen nichts braucht, nicht mal, dass sie einem eine Freude machen.
Im Lukasevangelium erzählt Jesus von einem Mann, der das erlebt. Dieser Mann plant ein großes Festmahl und lädt dazu viele Leute ein. Und als es soweit ist, schickt er seinen Diener herum, um den Gästen Bescheid zu geben: „Kommt, alles ist bereit!“ Doch nichts als Absagen handelt der sich ein. Keiner der Eingeladenen braucht ein Fest. Alle haben Wichtigeres vor. Haben scheinbar alles, was sie brauchen. Und ich kann das auch durchaus verstehen. Der Alltag mit seinen Sorgen und Freuden hat die Menschen so im Griff, dass sie gar nicht anders können, als abzusagen. Nein, beim Fest kann ich leider, leider nicht dabei sein. Ich habe mit mir selbst zu tun. Dass mich einer einlädt und mir eine Freude machen will, das brauche ich nicht.
Kann es sein, dass man vom alltäglichen Sorgen, Machen und Tun oft so sehr bestimmt ist, dass man gar nicht mehr weiter sehen kann? Dass man glaubt, diese Alltagswirklichkeit, in der man tagein tagaus lebt, das sei das Wichtigste auf der Erde? Dass man sich bewegt wie eine Biene im Honigglas? Die ist so beschäftigt mit den Köstlichkeiten und Widrigkeiten der Honigmasse, dass sie gar nicht merkt, wie eng es im Glas ist. Sie glaubt, dass sie alles hat, was sie braucht. Und merkt gar nicht, wie sie längst im klebrigen Honig festhängt. Und der Deckel über ihr trennt sie von dem, was da noch da ist an Leben, an Möglichkeiten und Lebensfülle.

Und der Gastgeber? Er sucht sich andere Gäste, erzählt Jesus. Schickt seinen Diener an die Hecken und Zäune, auf die Straßen und Plätze. Lädt ein, die dort sind: die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen. Und alle kommen. Die Bedürftigen kommen. Die, denen etwas zum Leben fehlt. Die sich sehnen nach einem Festmahl, bei dem sie wirklich satt werden. Es kommen die, die nicht genug zum Leben haben, Menschen, die bedürftig sind und angewiesen auf Hilfe. Angewiesen auf ein Brot des Lebens, das sie sich nicht selber backen können. Sie steigen in klapprige Boote und riskieren die lebensgefährliche Fahrt übers Meer. Und wir? Sind wir bereit, sie aufzunehmen? Oder schotten wir uns ab? Ich bin froh, dass in ganz vielen Orten in unserem Land sich Menschen finden, die helfen. Menschlichkeit zeigen, auch wenn nicht klar ist, ob alle Flüchtlinge bei uns bleiben können.
Jesu Geschichte zeigt mir: Ich muss mir immer wieder auch überlegen, ob ich das wirklich alles brauche, was ich habe. Und ob es manchmal nicht besser ist, auf etwas zu verzichten, damit andere mehr zum Leben haben.
Diese Geschichte will einen aber auch davor bewahren, sich selber falsch zu sehen, glaube ich. Ich bin doch als Mensch immer auf andere Menschen angewiesen. Angewiesen darauf, dass andere da sind, bei mir sind, dass ich nicht alleine bin. Angewiesen auf die Ideen und Anregungen, die ich von anderen bekommen, wenn ich mich auf sie einlasse, im Gespräch mit ihnen bin. Angewiesen darauf, dass andere mir helfen, wo ich selber nicht weiter weiß und nicht weiter komme. Die mir einen Weg zeigen, wie es gehen könnte, und mir Mut machen, dass ich mich traue loszugehen.
Ich brauche es auch, dass andere mir Freude machen. Gerade wenn ich so verstrickt bin in meinen Alltag und in meine Sorgen, dass wenig Freude aufkommt. Gerade dann brauche ich doch andere, die mir Freude machen. Vielleicht mit einem Geschenk zum Geburtstag. Vielleicht, indem sie mich zu einem Fest einladen.
Und schließlich: Als Christ glaube ich, dass ich von Gott bekomme, was ich brauche: Das Leben. Und auch die Liebe, die ich erlebe. Wie gut, dass andere mich daran erinnern, wenn sie mit mir feiern wollen. Und wenn sie mir ihre Liebe zeigen, mit Geschenken oder mit freundlichen Worten zum Geburtstag. Da spüre ich doch, was letztlich zählt. Und dass Gott es gut mit mir meint.
Jesus will mich genau daran erinnern: Ich bin eingeladen, das Leben zu feiern. Und erst recht die, die viel zu wenig haben, um ein Fest zu feiern.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=19957
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