Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Damit wir klug werden“ – so lautet das Leitwort für den Evangelischen Kirchentag, der nächstes Jahr in Stuttgart stattfinden wird. Seit gut einem halben Jahr begegnet es mir bei den vielen Vorbereitungen, die in den Stuttgarter Gemeinden bereits auf vollen Touren laufen. „Damit wir klug werden“ – das hört sich an, als seien wir es nicht. Geb‘ ich mir nicht alle Mühe, eine Entscheidung gut zu überlegen und durchzuspielen, damit sie klug wird? Freilich, nicht immer gelingt das. Manchmal mache ich auch die Erfahrung, dass ich vorschnell gehandelt habe, dass etwas noch nicht entscheidungsreif war. Wann ist etwas klug und wann nicht?

Das Leitwort des Kirchentags greift ein Wort aus der Bibel auf. „Unsere Tage zu zählen, das lehre uns, damit wir klug werden“, heißt es da (Psalm 90,12).[1] Ich verstehe das als einen Impuls, meinen Tagen mehr Aufmerksamkeit zu schenken, sie nicht einfach verstreichen zu lassen, einen nach dem anderen, als ginge das einfach so weiter. Ich weiß aus Erfahrung, dass es nicht so weitergeht. Aber ist das dann schon klug? Ist es nicht so, dass meine Tage in der Regel vollgepackt sind – angefangen von den ganz gewöhnlichen Aufgaben bis hin zu den großen Herausforderungen? Wie oft muss ich mir eingestehen, dass ich etwas nicht geschafft habe. Tu ich zu viel?

So wichtig es sein mag, sich diese Frage gelegentlich zu stellen: Zu klugem Handeln im Sinne des Bibelworts scheint mir das allein noch nicht zu führen. Eher ist es die Entdeckung, wie sehr vieles von dem, was ich alles tue und noch zu tun beabsichtige, um mich selbst kreist. Wäre es nicht klüger, weniger zu tun, besser darauf zu achten, was an jedem Tag Neues geschieht, sich eher von den Tagesereignissen an der Hand nehmen zu lassen und darin Gottes Führung zu entdecken?

Meine Tage zu zählen, das kann bedeuten, sie bewusster zu erleben. Statt sie untergehen zu lassen in all den Verpflichtungen, die ich habe und vorhabe und für die ein Tag oft nicht reicht, ist es – denke ich – besser, ein paar Augenblicke die Zeit anzuhalten, nachzudenken. Und dabei kann ich dann auch an Gott denken, für den tausend Jahre sind wie der Tag, der gestern vergangen ist (Psalm 90,4).


[1] Lutherübersetzung 1984: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ Im hebräischen Original heißt es: „Unsere Tage zu zählen, das lehre uns, damit wir ein weises Herz erlangen.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18450
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