Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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"Du sollst Gott und Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst!" so lautet das christliche Hauptgebot. Mit Freunden, Bekannten und sympathischen Menschen ist das einfach. In der eigenen Familie meistens auch. Schwierig ist, wenn ich es mit Menschen zu tun habe, die mir nicht gerade sympathisch sind. Wie soll ich einen unangenehmen Menschen lieben? Jemand, der mir nur Schwierigkeiten bereitet?
Ich habe schon ganz verschiedenes ausprobiert: Solchen Menschen bewusst aus dem Weg gehen, sie ignorieren. Aber das geht nicht immer.
Ich habe auch schon versucht, solche für mich schwierige Menschen direkt zu konfrontieren. Ihnen gerade und hart ins Gesicht zu sagen, was ich blöd finde. Das ging aber meistens gründlich daneben. Es hat erst recht zu heftigem Streit geführt.
Oder ich habe einfach versucht, die Situation geduldig zu ertragen. Mir meinen Teil über diese Person zu denken und darauf hoffen, dass die Begegnung bald vorbei ist. Aber es besteht die Gefahr, dass ich dann als überheblich und arrogant empfunden werde. Menschen spüren genau, was man über sie denkt.
Inzwischen habe ich eine andere Strategie entwickelt. Ich habe Mitgefühl. Mir wurde klar, alle Menschen müssen ein Leben lang mit sich selbst klarkommen - auch die, die mir unangenehm sind. Es hat etwas mit mir zu tun, dass ich den ein oder anderen als unangenehm empfinde. Diesem Menschen sind andere Dinge wichtiger. Er wurde von seinen Eltern anders erzogen, kommt vielleicht aus einem anderen Land, kennt andere Sitten. In mir selbst kommt jedenfalls etwas zum schwingen, was mich verunsichert. Der andere erlaubt sich vielleicht etwas, was ich mir nie erlauben würde.
Ich habe mir die Haltung angeeignet: es gibt keine schwierigen Menschen, nur schwierige Situationen. Mitgefühl für Menschen zu entwickeln, die mich in schwierige Situationen bringen, heißt dann: Ich muss zunächst mir selber klar werden, warum ich auf diesen Menschen so reagiere, warum es mir unangenehm ist, ich ihn unsympathisch finde. Statt in Resonanz zu gehen, mich auf ein negatives hin- und her der Gefühle einzulassen, ist es besser eine Art innere Jalousie herunter zu ziehen. Ich muss mich als erstes selber schützen. Negative Energie muss ich meinerseits ja nicht mit einer ebensolchen beantworten. Wenn ich davon ausgehe, dass alle Menschen Kinder Gottes sind, dann kann ich auch diesen mir unangenehmen Menschen ein paar liebevolle Gedanken schicken.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18099
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