SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Vor dem gemeinsamen Essen nimmt der Vater das Brot, spricht ein Dankgebet und teilt das Brot an alle Anwesenden aus. Das ist eine einfache aber eindringliche Geste. Ich konnte sie erst vor kurzem bei einem Besuch in Israel wieder erleben. Das gesegnete und geteilte Brot verbindet die am Tisch Versammelten untereinander und sie ahnen, dass sie die Beschenkten sind. Eine einfache Geste mit einer tiefen Bedeutung. Das geteilte Brot nährt nicht nur den Körper, sondern auch den Hunger der Seele.

Eine der schönsten Ostergeschichten in der Bibel ist für mich die Emmausgeschichte. Auch in ihr geht es (am Ende) ums geteilte Brot. Zwei Jünger Jesu sind unterwegs in ihr Heimatdorf, das eben Emmaus heißt. Als sie ihren Freund Jesus am Kreuz gesehen haben, ist für sie eine ganze Welt zusammen gebrochen. Davor laufen sie weg.

Unterwegs treffen sie einen Fremden, mit dem sie sich gut unterhalten - auch über Jesus und das Kreuz. Am Ende des gemeinsam erlebten Tages nimmt er das Brot, spricht das Dankgebet und teilt mit ihnen. Daran erkennen sie, dass der Fremde Jesus ist, dass er lebt.   Das gibt ihnen neue Hoffnung

Wahrscheinlich war es nicht nur das kleine Stückchen Brot, das ihnen die Augen geöffnet hat. Auch das geteilte Wort und die geteilte Zeit und der geteilte Weg. Die Art und Weise, wie der scheinbar Fremde bei ihnen geblieben ist und sich ihnen mitgeteilt hat, hat sie daran erinnert, was sie mit Jesus erlebt haben. Er hat ihnen gezeigt, dass die Liebe und die Offenheit füreinander stärker sind als der Tod. Seit jenem Abend in Emmaus wissen die Jünger, dass auch der traurigste Weg nicht ohne Hoffnung ist, dass es im Scheitern und Zusammenbrechen einen neuen Anfang gibt, dass der Tod in unserem Leben nicht das Letzte ist.  Emmaus ist ein Ort voller Leben.

Musik

Emmaus ist ein Ort voller Leben. Davon spreche ich heute am Ostermontag in den Sonntagsgedanken. Wenn man nach diesem biblischen Ort in Israel sucht, wird man gleich an drei verschiedene Adressen verwiesen. Alle in der Nähe  von Jerusalem. Aber es lässt sich nicht klären, wo tatsächlich das richtige Emmaus liegt. Und in Wahrheit ist das auch nicht wichtig. Emmaus kann überall sein, erklärt mir Schwester Hildegard.  Sie lebt schon über zehn Jahre in einem dieser Emmaus-Orte. Dort leitet sie ein Heim für pflegedürftige Frauen und eine Schule für Krankenpflege. Emmaus - das sind hier nicht etwa alte geschichtsträchtige Ruinen, sondern Schwestern und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter oft Jugendliche aus Deutschland und Österreich, die dort ein freiwilliges soziales Jahr verbringen. Menschen, die mithelfen, dass alt gewordene Frauen würdig leben, dass Pflegebedürftige gut versorgt und aufgehoben sind und Sterbende nicht allein gelassen werden. Dieser Emmaus-Ort ist für viele eine Oase, ein Ort gelebter Menschlichkeit. Nicht die großen Worte vollbringen hier Wunder, sondern die einfachen und ehrlichen Gesten. Wie die in der biblischen Emmausgeschichte:„und er nahm das Brot, sagte Dank und gab es ihnen …“(Lk 24,30)

Auf die Frage, was ihr von der Botschaft Jesu im Heiligen Land besonders deutlich geworden ist, antwortet Schwester Hildegard: „Ich glaube, dass jeder Ort, an dem ich lebe und arbeite, Heiliges Land werden muss. Wir erleben hier zwar nicht die Art von Kirche, wie wir sie aus Europa kennen. Es gibt keine Pfarrgemeinde, keine erhebenden Gesänge mit viel Weihrauch. Aber es gibt viele Arme, in denen mich Jesus ansieht. Das ist die gleiche Armut und es sind ähnliche politische und religiöse Probleme wie damals, als Jesus hier lebte. Ich fühle mich berufen, so wie er zu handeln und zu helfen.“

Damit zeigt sie mir, wo das echte Emmaus liegt. Es geht dabei nicht um die geographische Lage, sondern um meine innere Einstellung und das konkrete Verhalten. Ich werde den Besuch bei Schwester Hildegard in Qubeibe/Emmaus nicht mehr vergessen. Der Weg dorthin, durch die Absperrungen und Grenzposten, war aufregend. Aber was ich dort erleben durfte, ist ein Geschenk. Ich habe erfahren: Ostern ist nicht an ein bestimmtes Datum gebunden. Ostern geschieht wie in Emmaus. Beim Teilen des Brotes gingen ihnen die Augen auf.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17404
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