SWR4 Abendgedanken
SWR4 Abendgedanken
Das Flugzeug hatte Verspätung.
Mein Zug ist weg.
Ich muss warten.
Nach dreiviertel Stunden steige
ich in einen ICE.
Der ist proppenvoll,
ich bekomme keinen Sitzplatz.
Das auch noch,
denke ich mir,
aber komm, reg Dich nicht auf,
Hauptsache ich komm hier bald weg
und die Fahrt dauert eh nur knapp eine halbe Stunde,
in Mannheim muss ich sowieso wieder umsteigen.
Ich stelle meinen Koffer ab
und lehne mich an die Glaswand zwischen zwei Abteilen.
Nicht gerade die bequemste Reiseart,
mittlerweile ist mir aber fast alles egal,
wenn ich nur bald zuhause bin.
Von Ferne sehe ich den Schaffner kommen,
ich krame nach meinem Fahrschein,
ach jee denke ich,
natürlich, das hier ist ja ein ICE
und Du hast nur ein normales Ticket.
Also werde ich wohl nachlösen müssen,
um den besonderen Zuschlag zu bezahlen.
Bei dem Gedanken werde ich nun endgültig sauer.
Ich stehe hier im überfüllten Zug,
mit meinen Koffern,
und soll jetzt noch für meinen „Superstehplatz“
extra bezahlen.
Das Ticket, so wie es ist, müsste doch reichen,
vom ICE Service krieg ich eh nix mit.
Aber da wird der Schaffner nicht mitmachen,
Vorschrift ist Vorschrift
und wir leben in Deutschland
In Gedanken sehe ich den Schaffner vor mir,
wie er dienstbeflissen die paar Euro extra kassiert,
und ihm egal ist, was ich denke.
Ich lege mir schon eine Bemerkung zurecht,
der Herr Beamte wird etwas zu hören bekommen
bestenfalls einen gezügelten Wutausbruch.
Ich sehe ihn noch nicht aus der Nähe,
aber er ist mir jetzt schon unsympathisch.
Das kann nicht anderes sein.
Dann kommt der Schaffner,
ich zeige mein Ticket,
höre mich sagen: Leider habe ich keinen Zuschlag,
sehe, wie er abwinkt,
freundlich grüßt und weitergeht.
Ich bin baff
packe meinen Ärger wieder ein,
schaue ihm nach,
und merke, dass ich was für meine Nerven tun muss.
Wie schnell nisten sich feste Bilder, Klischees,
Vorurteile ins Hirn,
sag ich mir.
Der kann doch gar nicht anderes handeln
dachte ich,
aber genau das machte er.
Ich fasse mir an die Stirn,
schüttle den Kopf,
kann dann doch über mich schmunzeln
und zieh mir in Gedanken an den Ohren.
Dann ein superkleines Stoßgebet:
Danke Gott, für diese Lektion
gegen Schwarzmalerei.
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