Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Was bleibt von dem, was ich tue? Zu was bin ich eigentlich nütze? Es gibt immer wieder Zeiten, in denen ich mich das frage. Und ich entdecke hinter diesen Fragen das Gefühl sich klein und bedeutungslos zu fühlen.

Die Dichterin Hilde Domin kannte dieses Gefühl wohl auch. In einem ihrer Gedichte drückt sie es in wunderbar einfachen Worten aus. „Ich war hier. Ich gehe vorüber ohne Spur.“

Und doch bleibt etwas. Hilde Domins Gedicht stellt dem Gefühl der Nutzlosigkeit etwas gegenüber. Vorsichtig formuliert sie, dass wir vielleicht die Herzen der anderen berühren: durch die Wärme unserer Worte, durch die Freundlichkeit in unseren Augen, durch das Mitfühlen mit dem fremden Schmerz. Das bleibt.

Das Licht, das wir selbst in das Leben eines anderen bringen können, hinterlässt Spuren. Und auch wenn es mir oft verborgen bleibt, zu was ich nütze bin: ich bin mir sicher, dass wir im Vorbeigehen, ganz absichtslos, die eine oder andere Laterne – wie Hilde Domin sagt – in den Herzen der anderen anzünden.

 

Wie wenig nütze ich bin,
ich hebe den Finger und hinterlasse
nicht den kleinsten Strich
in der Luft.

Die Zeit verwischt mein Gesicht, sie hat schon begonnen.
Hinter meinen Schritten im Staub
wäscht Regen die Straße blank
wie eine Hausfrau.

Ich war hier.
Ich gehe vorüber ohne Spur.
Die Ulmen am Weg
winken mir zu wie ich komme,
grün blau goldener Gruß,
und vergessen mich,
eh ich vorbei bin.

Ich gehe vorüber-
aber ich lasse vielleicht
den kleinen Ton meiner Stimme,
mein Lachen und meine Tränen
und auch den Gruß der Bäume am Abend
auf einem Stückchen Papier.

Und im Vorbeigehn,
ganz absichtslos,
zünde ich die ein oder andere Laterne an
in den Herzen am Wegesrand.

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