SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Wenn die Propheten einbrächen
durch die Türen der Nacht  …
würdest du hören?

So fragt die große jüdische Schriftstellerin Nelly Sachs. Würde ich, würden wir auf Propheten hören, die zum Umdenken und Umkehren auffordern, weil es für das Überleben ein Zu-spät gibt?
Propheten sind kritische Mahner. Ihr Auftreten ist gerade in der alttestamentlichen Prophetie beispielhaft. Sie warnen vor einem gottfernen Leben.
Sind Prophetenworte auch heute aktuell? Wenn ich an die Not in der Welt denke, an Gewalt und Kriege in vielen Ländern, den Raubbau an der Natur, dann sind auch heute Menschen wichtig, die ihre mahnende Stimme erheben.
Wenn die Propheten einbrächen / durch die Türen der Nacht / und ein Ohr wie eine Heimat suchten - würden wir ihnen unser Ohr leihen? Oder würden wir von Sachzwängen, militärischen Notwendigkeiten, von Zuwachsraten reden?
Hören wir auf Propheten? Höre auch ich, was sie sagen? Oder denke ich mit vielen anderen: Es wird schon irgendwie weitergehen wie bisher. Nein, das wird es nicht, denn es gibt ein Zu-spät für das Überleben auf unserer Erde.
Wo sind diese Propheten, die heute die Stunde ansagen. Gibt es sie?
Ich möchte Stéphane Hessel als ein Beispiel für einen modernen Propheten nennen, der Leben als Umkehr versteht. Empört euch! rief der 93-jährige ehemalige französische Widerstandskämpfer, KZ-Überlebender und Mitautor der UNO-Menschenrechts-Charta. Er sagte: schaut denen auf die Finger, die an den Schaltstellen der Macht sitzen, auch denen in Wissenschaft und Technik. Fragt, ob es gerecht zugeht in der Welt. Empört euch!
Ein alter Mann, der nicht geschwiegen hat zu dem Unrecht, das in unserer Welt existiert, der nicht resigniert hat. Er sagte nein zu den lebenszerstörenden Hoffnungen, nein zur Unterdrückung von Minderheiten, nein zur Diktatur des Geldes, nein zur  Zerstörung des Lebensraumes Erde.
Solche Rufer in unserer Zeit, die zur Umkehr mahnen, die nicht nach dem Motto handeln „nach mir die Sintflut“, ermutigen, an der Veränderung zum Guten zu arbeiten. Es gilt der Satz: Nichts ist gut, wo Ausbeutung,  Ungerechtigkeit und Gewalt herrschen.
Wir brauchen die Bereitschaft, die offenen Ohren, auf prophetische Stimmen zu hören, uns von ihnen wachrütteln und zum Handeln auffordern zu lassen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16828
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