SWR1 Begegnungen

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Er ist Korrespondent des ZDF für Kirchenfragen: Jürgen Erbacher aus Mainz. Und es war ein spannendes Jahr 2013, das er erlebt hat: mit einem neuen Papst, der vieles neu und anders macht: Jürgen Erbacher beobachtet und berichtet. 

 Teil 1.  – Wie ein „Vatikankorrespondent“ arbeitet… 

Ich treffe Jürgen Erbacher im 10. Stock des ZDF-Hochhauses auf dem Mainzer Lerchenberg. „Dem Himmel so nah“, denke ich, als ich in den Aufzug steige: Das passt ja zu seiner Arbeit. Wer zum ZDF kommt, muss am Pförtner vorbei, bekommt einen Tagesausweis, kann nicht einfach so reinmarschieren. Das ist wohl wie im Vatikan. Und doch ist der weit weg. Um da an Informationen zu kommen, muss man wohl direkt vor Ort präsent sein. Das geht nicht nur von Mainz aus. Also geht es abends in die Pizzeria in Rom zum Hintergrundgespräch – oder gibt es gar Seilschaften, die Infos weitertragen?

Nein, ich würde nicht sagen, in Seilschaften aktiv zu sein, aber natürlich trifft man sich mit dem ein oder anderen doch auch mal zu einem Mittagessen, einem Abendessen. Ja, es braucht eine gewisse Vertrauensbasis, damit das Gegenüber auch weiß: ok, da kann ich jetzt Dinge einfach erzählen, die nicht gleich am nächsten Tag irgendwo in der Zeitung stehen, im „Papstgeflüster“ stehen, aber die für den Journalisten einfach wichtig sind als Hintergrund, damit man bestimmte Dinge, wenn sie dann offiziell passieren, auch entsprechend einordnen kann.

Ein bisschen wie ein politischer Korrespondent in Berlin vielleicht. Und doch ganz anders. Muss sich ein Kirchenreporter eigentlich kritisch von der Kirche absetzen, um zu rechtfertigen, dass er nicht etwa der verlängerte Arm des Vatikans ist? Wie erlebt Jürgen Erbacher das?

Nein, ich glaube, man muss nicht kritischer sein. Ich glaube aber, dadurch dass man die Zusammenhänge nochmal mehr kennt, mehr in die Kirche hineinschaut, erkennt man vielleicht manche Punkte, die als kritisch anzusehen sind, die ein Kollege, der sich mit dem Thema Kirche und Vatikan gar nicht so beschäftigt, die der auf den ersten Moment gar nicht sieht.

Auf seinem Schreibtisch auf dem Mainzer Lerchenberg liegen Fachbücher, hinter ihm im Regal ist eine kleine Bibliothek, Lexika und auch eigene Bücher, die er über den Papst und den Vatikan geschrieben hat. Jürgen Erbacher ist ein Vatikan-Kenner. Wenn er auf das Jahr 2013 zurückblickt: Wie wird es wohl in die Kirchen-Geschichte eingehen, will ich von ihm wissen…

Also ich glaube, rückblickend wird man schon sagen: 2013 ist ein Jahr gewesen, dass die katholische Kirche radikal verändert hat. Das ist jetzt glaube ich zu früh zu sagen, in welche Richtung es sie verändert hat. Das liegt nicht nur allein an Papst Franziskus, der jetzt sehr positiv überall wahrgenommen wird, sondern es liegt auch mit an Benedikt XVI., der mit seinem Amtsverzicht überhaupt erst das alles möglich gemacht hat, was man jetzt seit März erlebt und beobachten kann.

Teil 2: Welche Rolle der Glaube spielt

 Papst Franziskus twittert, der Papst telefoniert, der Papst gibt Interviews: Diese direkte Kommunikation aus dem Vatikan ist neu und ungewohnt, auch für Journalisten, die sich seit Langem mit dem Vatikan befassen. Und wie ist es eigentlich, als Katholik über seinen eigenen „Chef“ zu berichten?

Ich glaube, dass das kein Problem ist, wenn man – sag ich mal - Katholik-Sein in eine Sinne versteht, wie ich es eben verstehe, dass es nicht heißt, in blindem Gehorsam einer bestimmten Person hinterherzulaufen. Und da gibt ja gerade Papst Franziskus ja quasi eine Steilvorlage, wenn er sagt: Naja, Ja-Sager um mich herum, das kann ich eigentlich gar nicht leiden; ich brauche die kritische Auseinandersetzung

 Nicht nur Ja-Sager, das gilt auch für den Glauben: Immer nur „Ja und Amen“, das geht nicht. Auch das Fragen und Suchen gehört zum Glauben, sonst verkommt er zur Besserwisserei. Jürgen Erbacher ist Katholik. Wie wirkt sich eigentlich seine Arbeit als Journalist auf seinen Glauben aus? Verändert sich der durch die Einblicke in das Innere der Kirche?

Ich lerne bei ganz vielen Ereignissen, bei denen ich dabei bin, wie faszinierend dann doch irgendwie der katholische Glaube ist. Also: dieses heilige Jahr 2000 mit diesen ganzen Veranstaltungen, die sehr unterschiedlich waren: die einen waren sehr schrill, sehr laut. Aber wenn Sie dann mal auf dem Petersplatz sind, oben auf den Kolonnaden stehen: Pfingstvigil, es ist dunkel und Sie haben auf dem Petersplatz 50000, 60000 Kerzen: Das sind so Dinge, wo ich sag: das ist schon schön, das so erleben zu können…

 …und das zeigt auch die Vielfalt des Glaubens, sagt Jürgen Erbacher. Aber: Je mehr Einblicke man hat, desto mehr sieht man natürlich auch die Schwächen. Und auch die gibt es natürlich in der Kirche.

 Also das Beispiel 2010, der Missbrauchsskandal. Wenn man dann sieht, dass es auch drei Jahre später immer noch Kirchenführer gibt, die da nicht so davon überzeugt sind, dass man Dinge klar aufarbeiten muss. Das ist dann schon ein Ärger wo man kopfschüttelnd dasteht und irgendwie sagt: Also eigentlich müsste man vielleicht jetzt auch persönlich irgendwie diesem Laden den Rücken kehren. (23“)

 Aber auf der anderen Seite gibt es dann auch wieder die positiven Erlebnisse, sagt der Journalist Jürgen Erbacher.

 Sei es jetzt, dass man selbst irgendwie ganz angerührt ist oder dass man sieht: auf Papstreisen, in Rio, Weltjugendtag jetzt, dass es so viele Menschen gibt, die aus dieser Institution jetzt irgendwie auch Kraft schöpfen, dass diese positiven Dinge am Ende doch überwiegen.

Auch das ist eine Bilanz für das Jahr 2013. Am Neujahrsmorgen geht der Blick natürlich auch nach vorn. Ich frage den Vatikankenner: Was erwartet uns wohl 2014 vom Papst?

Ich glaube, der Papst wird diese Themen, die man bei uns als die heißen Eisen bezeichnet, die wird er nicht vergessen, wie man am Beispiel Wiederverheiratet-Geschiedene sieht, aber er setzt natürlich eine andere Agenda. Diese Themen: soziale Gerechtigkeit, das Thema Armut, Flüchtlinge und so weiter. Und ich glaube in dem Bereich werden wir noch ein paar interessante Dinge von ihm erleben.

Also zuversichtlich in die Zukunft! Auf ein gutes neues Jahr! Jürgen Erbacher wird darüber berichten.

 http://blog.zdf.de/papstgefluester/

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16645
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