Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Der sieht ja gar nicht aus wie ein Bischof!“ Das sagen Menschen, die Erwin Kräutler noch nie gesehen haben. Die Menschen im Bistum Xingu im Nordosten Brasiliens sagen das nicht. Er ist ihr Bischof auch dann, wenn er – wie meistens - im T – Shirt und mit Jeans zu ihnen kommt. Wichtig ist für sie nicht seine Kleidung, sondern dass er ihre Sorgen und Nöte ernst nimmt. Zum Beispiel, wenn Kleinbauern von ihrem Land vertrieben werden. Oder Indios wegen eines Staudammprojekts ihre Heimat verlieren. Wenn es brennt, ist Bischof Kräutler zur Stelle und setzt sich mit der ganzen Autorität seines Amtes für sie ein. Wenn es sein muss, geht der gebürtige Österreicher dafür auch mal auf die Straße. Einmal blockierte er mit Zuckerrohrbauern die wichtigste Fernstraße. Militärpolizei knüppelte ihn nieder und sperrte ihn ins Gefängnis. „Damals“, so sagt er, „haben die Menschen gesagt: ‚Das ist unser Bischof. Lasst ihn frei!’“ Für Kräutler war das wie eine Art zweiter Bischofsweihe. Die Menschen erkannten ihn als Bischof nicht an seiner Kleidung, sondern durch sein Handeln.

Das muss beim Heiligen Martin nicht viel anders gewesen sein. Als er Bischof wurde, weigerte er sich, die damals bei Bischöfen übliche prunkvolle Kleidung zu tragen. Er trug als Bischof seine ärmliche Mönchskutte, die er schon als Ordensmann getragen hatte. Bei seinen Bischofskollegen machte er sich damit nicht gerade beliebt. Doch die Menschen mochten ihn, weil er immer bereit war, zu teilen. Vor allem erzählten sie immer wieder diese wunderbare Geschichte mit dem Mantel. Als Martin noch römischer Soldat war, teilte er mit seinem Schwert seinen Umhang. Eine Hälfte schenkte er einem frierenden Bettler am Straßenrand. Als ein Mann, der das Leben der Menschen teilte, verstand Martin dann auch seinen Bischofsdienst. Heute, am Martinstag, wird an vielen Orten mit Martinsumzügen an ihn erinnert. An einen Bischof, den man nicht an seiner Kleidung, wohl aber am Teilen erkennen konnte.

 

 

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