Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Alt werden ist nichts für Weicheier, ja, ja, ich weiß, der Spruch ist nett. Er sagt aber leider nichts über die Chancen und Schönheiten des Alterns.   Ich habe einen Text gefunden, der die Schönheit des Alterns beschreibt, wenn man das Glück hat mit einem Menschen zusammen alt zu werden. Auch wenn der Text zwei alternde Menschen im Blick hat, kann man ihn auch nur für sich selbst hören. Weil es um die Liebe beim Altern geht. Die Liebe zu sich selbst und zum Anderen.

Der Text ist von der österreichischen Dichterin Christine Busta. Sie schreibt:

„Der Liebe wird alles wichtig und lieb, eine Schattenmulde in der Wange, das Runzelgeflecht ums Auge. Eine Kindheitsnarbe unter den Zehen, ein verborgener Makel der Haut, eine sichtbar werdende Ader und die kahle Stelle im Haar. Jeder Verlust wird auch Gewinn und mehrt die Erinnerung. Treuer als Lust macht Zärtlichkeit. Der Schmerz um Vergängliches erneuert. Aus den Filtern behutsamer Trauer bergen wir die Schönheit, die beibt.“   
Ein schönes Bild – das mit den Filtern. Wenn man nach allem, was man so nach und nach verliert im Leben, im Leben verlieren muss, kostbare, schöne Dinge übrig bleiben: Erinnerungen, Kinder, Freunde, der Glaube, Zeit, gelebtes Leben, Liebe. Es ist weder beschönigend noch blauäugig, wenn Christine Busta im Schmerz über Vergängliches Positives findet. Weil Neues entstehen kann. Der Blick auf Unvergängliches zum Beispiel. Der dankbare Blick auf das, was bleibt und was nach meiner Zeit auch noch bestehen wird.

Das ist weiß Gott nicht leicht und auch nicht selbstverständlich. Und man muss dazu auch wirklich Abschied genommen haben. Aber wer die Welt, sein Leben, oder das Leben seines Partners mit Liebe sehen kann, der vermag durch die Hülle der Vergänglichkeit hindurch zu schauen: auf das Wesen der Dinge, des Menschseins und auf die Schönheit, die bleibt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16401
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