Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Wer's glaubt, wird selig", sagt man. Und gemeint ist meistens: Das kann ich nicht glauben. Vielleicht aber auch: Es wäre schön, wenn ich es glauben könnte. Das würde mich glücklich machen. Selig. Viele sagen so ähnlich auch vom Glauben an Gott. „Ich würde ja gern an ihn glauben. Vielleicht würde es mich trösten. Aber: ich kann nicht."
Neulich habe ich Alice im Wunderland wieder einmal gelesen. Ein Märchen auch für Erwachsene. Mit ein paar sehr klugen Gedanken darin. Einmal erzählt die weiße Königin der kleinen Alice, dass sie einhundertundein Jahre alt sei. „Das glaub ich nicht" widerspricht Alice. „Kannst du es nicht oder willst du es nicht glauben?" fragt die Königin zurück. „Versuch es noch einmal - atme tief durch und schließe die Augen!" Da lacht Alice: „Das nützt doch nichts! Was unglaublich ist, kann man nicht glauben." Und die weiße Königin antwortet: „O doch. Ich nehme an, du hast es nur nicht genügend geübt."
Dieser letzte Satz, der geht mir nach, Kann das denn sein?
Kann man Glauben üben?
Sicher kann man es nicht erst dann üben, wenn es darauf ankommt. Schwimmen kann man ja auch nicht erst dann lernen, wenn man ins Wasser fällt, Und glauben nicht, wenn man es dringend braucht. Aber man kann vorher schon die Augen offen halten für Gottes Möglichkeiten. Für die Wunder, die geschehen, zum Beispiel wenn Menschen sich versöhnen. Wenn man dachte, es ist alles verloren, und jemand findet doch einen neuen Anfang. Da ist für Gott mehr möglich, als ich mir vorstellen kann. Dafür die Augen offen zu halten, das ist eine gute Übung für den Glauben, finde ich.
Und dann braucht man Menschen, denke ich, die für mich glauben, bis ich es vielleicht auch kann. Die sagen: Ich hoffe für dich. Ich bete für dich. Auch wenn du es nicht glauben kannst: Ich glaube, dass Gott dich nicht im Stich lässt. Ich glaube, dass er dich begleitet und dir Kraft geben wird. Manchmal weckt das den eigenen Glauben.
Allerdings: Man kann sich den Glauben nicht einfach mit viel Üben antrainieren. Das ist der Unterschied zum Schwimmen. Gottes Gesit muss dazu kommen. Der macht einem Mut und trägt einen. Wie das Wasser den Schwimmer. Dann kann man es probieren. Und dann erleben: „Wer das glaubt, der wird selig."

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15300
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