SWR2 Wort zum Tag
SWR2 Wort zum Tag
„Wer möchte ich geworden sein, wenn ich gewesen bin?" Das ist eine ziemlich verrückte Frage am frühen Morgen. Gewiss. Aber irgendwie wandert sie doch mit, und wann wäre sie passender als im Advent? Alle haben Vorstellungen vom gelingenden Leben: wo solls hingehen? Was gilt es zu erreichen? Wenn der innere Navi nur einigermassen funktioniert, dann taucht diese Adventsfrage an mancher Wegkreuzung auf: „wer möchte ich geworden sein, wenn ich gewesen bin?" Jüngst auf der Reise zu den ägyptischen Mönchsvätern sind wir ihr wieder begegnet. Denn diese frühen Christen hatten nur dies im Sinn: gelingendes Leben. Als das Christentum Staatsreligion wurde und die Kirche Fett ansetzte, gingen sie in die Wüste. Sie wollten keine Zeit verlieren, immer die Adventsfrage im Sinn. So wurden sie geistliche Ratgeber für viele, und ihre Lebensweisheiten - in wunderbaren Spruchsammlungen zugänglich - sind höchst aktuell .
Da kommt jemand zu Abbas Poimen mit der ach so verständlichen Frage, warum denn so viel unschuldige Kinder leiden müssen. Der Alte schaut ihn liebevoll an, so heißt es, und antwortet mit der Gegenfrage: „wer bist denn du, dass du diese Frage stellst? Geh und sorge dich um dich selbst". Einfühlsam und zugleich unerbittlich konfrontiert der glaubenserfahrene Mönch den suchenden Menschen mit sich selbst. Nur ja nicht fremdgehen - auch nicht durch noch so fromme Gedanken. Keine Gefahr sei größer, als vor sich selbst wegzulaufen und blinde Kuh zu spielen. Natürlich bleibt die gestellte Frage im Raum, natürlich gibt es solche Warumfragen die Menge. Aber diese Therapeuten aus der Wüste denken ganz praktisch: was ist jetzt dran für dich, wo vertust du deine Lebenszeit, wo verrätst du deine Adventsfrage?
In früheren Kirchenzeiten gab es sogar den klugen Brauch, in der Adventszeit zu beichten. Weihnachten geht es ja um die Geburt des neuen , des wahren Menschen. „Wäre Christus tausendmal in Bethlehem und nicht in dir geboren, du wärest ewiglich verloren „ - verloren im Durcheinandertal deines Lebens, verirrt in den unaufgeräumten Gegenden deines Herzens und deines Lebens. Advent hat viel zu tun mit diesem monastischen Ernst zur Selbstfürsorge, denn die nötigt zur Suche nach dem Lebensgeheimnis, das wir Gott nennen. Ein gotterfüllter Mensch werden - lautet also die christliche Antwort auf die Adventsfrage, ein weihnachtlicher, ein christusförmiger Mensch. Also einen gesegneten Advent!