SWR4 Sonntagsgedanken

Sonntagmorgen.
Ein Gottesdienst irgendwo in Süddeutschland.
Die Gemeinde singt aus vollem Herzen:
„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit."
Dann geht der Pfarrer nach vorn.
„Liebe Gemeinde!" sagt er „wir  haben da noch einen Brief bekommen von unserem Gründer. Er will uns besuchen, schreibt er."
Der Pfarrer lässt den Brief durch die Reihen gehen.
Ein Besuch von unserem Gründer?
Die Leute lesen den Brief - kopfschüttelnd, erstaunt, erwartungsvoll.
Man ist jedenfalls gespannt. So geht der Gottesdienst zu Ende.
Die Szene, die ich Ihnen gerade erzählt habe, habe ich in dem Film „Der Besuch" gesehen. In humorvoller Weise schildert dieser Film nach einem Roman von Adrian Plass, wie Jesus die Bitten der Gläubigen erhört und tatsächlich wieder auf die Erde kommt, ein bisschen anders, als erwartet, nicht mehr als kleines Kind in der Krippe, aber auch diesmal ganz schlicht und ohne viel Brimborium, und so, dass sich einiges verändert und es sogar richtig gut wird.
Ich hab mir diesen Film mit Jugendlichen angeschaut und sie gefragt: Und, was würdet ihr machen, wenn Jesus hier zu uns käme?
Die Ideen der jungen Leute haben mich verblüfft, ja, sie haben mich sogar richtig angerührt:
„Ich glaube, den würden wir gar nicht sofort erkennen, der säh ganz normal aus." Sagt einer.
„Ich würde ihn fragen, was mit meiner Playstation ist." Grinst der nächste. Und dann, ernst: „Und ich würde ihn fragen, wies da oben im Himmel wirklich aussieht."
Der dritte: „Wenn Jesus käme, würde ich ihn fragen, wie das war, als sie ihn ans Kreuz genagelt haben. Warum er solche Leute nicht mal kräftig vermöbelt."
Und was würde ich ihn fragen?
Schade eigentlich, dass ich mir diese Frage so wenig stelle.
Ja, eigentlich spielt das in meinem Glauben gar keine so große Rolle, diese Vorstellung, dass Jesus wieder auf die Erde kommt. Dabei bete ich doch auch, so wie viele Christen, bei Tisch: „Komm, Herr Jesus, sei du unser Gast..."
Ja, das wäre so dringend nötig, wenn ich mich in dieser Welt umschaue.
Das Elend an vielen Stellen, dieses himmelschreiende Unrecht.
Wenn ich nur an die schlimmen Unglücke denke, die sich dieser Tage ereignet haben.
Und die Naturkatastrophen.
Das erschrickt mich schon und wer weiß, wo das noch hinführen wird.
Wo bleibst du, Gott, wann kommst du und machst das endlich gut?
Eine adventliche Frage. Eine adventliche Hoffnung. Ich hoffe wirklich, dass er kommt. Der Besuch. Und bis dahin will ich die Hoffnung wach halten.

Wenn wir bei uns zu Hause Besuch erwarten, dann ist es mit der Ruhe erst Mal vorbei.
Betten beziehen, schnell noch mal durchs Bad wischen, und, o Schreck, wie sieht es denn im Wohnzimmer aus, was da alles rumliegt!
Der Besuch soll sich doch bei uns zu Hause wohl fühlen.
Und er soll ja nicht denken, dass wir unordentlich wären!
Und wie wäre das, wenn ER sich bei uns zu Besuch ansagt, wenn Jesus zu Besuch käme?
„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit!"
Davon singen wir doch im Advent. Bedeutet das irgendwas?
Ich denke an die ersten Christen. Die waren wirklich davon überzeugt, dass Jesus noch zu ihren Lebzeiten zurück kommt auf die Erde. Der Herr ist nahe, darauf haben sie sich richtig gefreut. Einige haben deswegen schon gar keine Familie mehr gegründet - das lohnt sich doch gar nicht mehr, haben die gesagt. Das ist hier bald sowieso alles vorbei, das ganze Elend, die Not, die Ungerechtigkeit. Wenn Jesus wiederkommt, dann wird alles gut.
Und dann hat es immer wieder Christen gegeben, die genau berechnen wollten, wie weit die Endzeit fortgeschritten ist und wann Jesus auf die Erde zurückkehrt. Sie haben sich und andere richtig bange gemacht mit dieser Weltuntergangsstimmung.
Aber es hat auch einen Martin Luther gegeben, der gesagt hat: „Und wenn morgen die Welt unterginge, dann würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen."
„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit."
Ja, ich glaube, wer diesen hohen Besuch erwartet, für den ist es mit der Ruhe auch vorbei.
Und zwar mit dieser etwas lethargischen Ruhe, die ich leider manchmal auch bei mir selber entdecke: Ach, es ändert sich ja doch nicht. Die da oben machen ja doch, was sie wollen. Und ich kann sowieso nichts machen.
Doch, ich kann was machen.
Ich kann aufräumen, durchwischen und sortieren in meinem Lebenshaus. Und auch ich kann bestimmt etwas bewegen: Wenn ich an die Menschen denke, die sich bei uns in einem Verein engagieren, an die Menschen, die in kirchlichen und kommunalen Gemeinden mitmachen. Ohne dieses Engagement wäre bei uns sicher nicht so viel möglich.
„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit!"
Menschen in froher Erwartung. Und vor allem zuversichtlich - was kommt, das ist kein Weltuntergang und keine Götterdämmerung - auch wenn es noch so chaotisch zugeht.
„...es kommt der Herr der Herrlichkeit!"
Was kommt, das ist kein Aus-und-vorbei, das wars dann wohl - auch wenn unser Leben zu Ende geht. Wir bleiben in Gott geborgen.
„...es kommt der Herr der Herrlichkeit!"
Haben Sie heute noch einen sehr schönen, besinnlichen Adventssonntag und kommen Sie gut durch die neue Woche!

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