Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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"Advent, Advent, ein Lichtlein brennt, erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier..." - das kennt wohl jeder. Am Samstag habe ich ein neues Adventslied gelernt. Und zwar im ehemaligen Konzentrationslager Dachau.
Ich war am Wochenende mit einer Gruppe Jugendlicher in München und habe das Konzentrationslager Dachau besucht. Immer wieder haben wir uns gefragt: was hat das alles mit uns heute zu tun? Sind diese Dinge nicht Schnee von gestern?
Aber dann haben ein paar Mädchen erzählt, wie es ihnen schon in der S-Bahn ergangen ist und andere haben von Erlebnissen auf dem Schulhof berichtet. Da, wurde uns klar, dass wir leider nicht in einer heilen Welt leben. Das Schreckliche, das Bedrohliche, das Dunkle ist auch heute Teil unseres Alltags.
Aber die Frage bleibt doch, ob ich als Einzelner überhaupt etwas gegen Bedrohungen und Dunkelheiten in meiner Welt tun kann?
Wir haben dann ein Adventslied von Kurt Mikula gelernt, das mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf geht: "Zünd ein Licht an gegen Gewalt und Streit. Ein Licht ist stärker als alle Dunkelheit. Es macht dich offen, lässt dich wieder hoffen. Es gibt dir wieder Mut, alles wird gut: Zünd ein Licht an."
Früher habe ich immer gelächelt über Lichterketten rund um Atomkraftwerke oder quer durch die Stadt - was soll das schon bringen? Heute weiß ich es besser. Es macht viel Sinn, dass ich mein Licht, auch wenn es noch so unscheinbar ist, anzünde. In der zweiten Strophe heißt es: "Zünd ein Licht an gegen Gleichgültigkeit. Ein Licht ist stärker als alle Dunkelheit." Stimmt das wirklich? Ja!
1989 hatten viele Menschen in der DDR den Mut, nur mit Kerzen in der Hand auf die Straßen zu gehen und sie waren stärker als alle Mächtigen und Gewaltigen.
"Zünde ein Licht an" - das geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Das passt in den Advent. Wir Christen feiern an Weihnachten das Gott Mensch wird - aber das geschieht so ganz anderes, als es erwarten würde.
Eigentlich sollte man erwarten, dass der Retter und Friedensstifter der Welt eindrucksvoll mit Macht und Herrlichkeit erscheint. Was da aber in Betlehem geschieht, ist so ganz anders, das ist keine machtvolle Demonstration sondern eher der Beginn einer Lichterkette: Unscheinbar und von manchem verlacht, verändert sie Stück für Stück die Welt und zwar immer dann, wenn auch ich in diesem Sinne eine Kerze anzünde.

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