SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Viele von uns kennen das Gefühl, mit Gott und der Welt am Ende zu sein. Fix und fertig, einfach am Ende. Dass so ein Ende auch Neuanfang bedeuten kann – davon erzählt Pfarrer Dr. Wolfgang Gern aus Frankfurt.

Teil 1
„Es reicht mir! Ich will sterben! Ich habe alles versucht, aber es ist gründlich misslungen“. Mit diesen Worten legte sich der Prophet Elia unter den Schatten eines Baumes und wartet auf den Tod. Das ist schon lange her, fast dreitausend Jahre. Aber bis heute geht es Menschen so wie Elia. Eben noch war er der mutige Mann Gottes gewesen. Einer, der sich nicht verbiegen ließ. Einer, der sich seiner Sache sehr sicher war. Er sagte den Leuten, dass in seinem Land etwas nicht stimmen kann. Aber die Regierung und ihr Polizeiapparat waren stärker gewesen als er. Elia musste um sein Leben fürchten, und keiner war da, der ihn hätte schützen können.
Was war geschehen? Die Regierungschefin, damals die Königin Isebel, redete von Wachstum und Wohlstand. Zu gerne erzählte sie den ausländischen Gästen vom wirtschaftlichen Aufschwung. Ja, sie schwärmte vom Fortschritt und vom boomenden Handel. Viele Leute im Volk waren stolz darauf und verehrten den Reichtum, als sei er ihr Gott.
Die Kritiker erinnerten an diejenigen, die arm geblieben waren, die nicht vom Reichtum profitierten. Dabei dachten sie vor allem an die Kinder und an die, die keinen Verdienst hatten. Die soziale Not war trotz Wirtschaftswachstum unübersehbar. Die wachsende Unruhe machte einen besseren Polizeiapparat notwendig. Das öffentliche Demonstrieren und Anprangern der Not wurde verboten. Viele Kritiker bekamen es mit der Angst zu tun und hielten sich zurück.
Einer, der sich nicht zurückhielt, war der Prophet Elia. Er wusste aus seinem Glauben: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Er wurde richtig wütend, dass man sich über die soziale Not lustig machte. Die Propaganda der Regierung drehte den Spieß herum und ließ verlauten: Elia, der Prophet, der ist ein Gegner von Wachstum und Wohlstand. Er will das Volk wieder in die Wüste schicken. Wenn er in die Wüste will, soll er doch selbst dahin verschwinden.
Das Volk glaubte der Propaganda – und die Menschen wendeten sich verächtlich von Elia ab. Niemand hielt mehr zu ihm. Niedergeschlagen zog er in die Wüste. Nichts mehr sehen, nichts mehr hören, nichts mehr reden müssen. Und die Königin freute sich, den Widersacher kaltgestellt zu haben.

Teil 2
Man meint es gut. Man tut, was man kann. Man strengt sich an bis über die Grenzen der eigenen Kraft. Und trotzdem geht es schief. Das geht vielen so, die sich irgendwo einsetzen. Die Widerstände sind zu groß. Man findet nicht genug Unterstützung. Man wird verschrien als zu leidenschaftlich, zu engagiert und zu parteilich. Und irgendwann hat man keine Lust mehr. Vor allem dann, wenn die gute Absicht, wenn das redliche Bemühen ins Gegenteil gewendet wird. Dann ist man buchstäblich am Boden und verzweifelt. Und man sagt sich: Sollen sie doch sehen, wie sie allein fertig werden!
So ging es dem Propheten Elia. Die Bibel erzählt seine Geschichte. Er hatte die Politik seiner Königin kritisiert – um der Menschen willen, um der Gerechtigkeit in der Gesellschaft eine Stimme zu geben. Aber scheinbar hatte das gar keinen Sinn gehabt. Schließlich gab Elia auf. Er konnte nicht mehr und er wollte nicht mehr.
Aber die Königin Isebel hatte sich zu früh gefreut. Sie hat sich geirrt, dass mit Elia alles zuende sei. Auch Elia lag falsch. Für Gott zählte nicht sein Wunsch zu sterben. Gott hat gespürt, dass Elia einfach nicht mehr kann. Mitten in die Verzweiflung, als Elia sich ganz und gar von Gott und aller Welt verlassen fühlt , kommt ein Engel auf Elia zu. Er weckt ihn auf und sagt: Elia, steh auf und iß. Du hast einen weiten Weg vor dir. Ausgerechnet da, wo alle Bäche ausgetrocknet sind, mitten in die Wüste schickt Gott Elia das, was er zum Leben braucht: jemanden, der ihm wieder Mut macht. Jemanden, der begreift, wie es ihm geht. Der ihm hilft, sich zu erholen. Das tut Elia gut: die Zuwendung eines anderen, der ihn versteht, der für ihn sorgt. Das ist ein Engel! Anders kann Elia das nicht verstehen.
Ehrlich gesagt, Elia hatte daran nicht mehr geglaubt. Er dachte, auch Gott habe ihn vergessen und habe ihn im Stich gelassen. Aber das lag an der falschen Optik, nicht an Gott. Elia hatte erwartet, dass Gott ihn für sein Auftreten belohnt. Mit Widerständen hatte er nicht gerechnet. Elia muss spüren, dass es nicht die lauten Töne und die Erfolge sind, in denen Gott sich finden lässt. Elia begegnet Gott erst jetzt, als er nicht mehr kann. Vielleicht hat er ihn vorher übersehen? Vielleicht war er vorher zu sehr mit seinen eigenen Plänen und Aktionen beschäftigt?
Liebe Hörerinnen und Hörer, vielen Menschen geht es wie Elia. Sie gehen bis an die Grenzen ihrer Kräfte, und auf einmal sind sie am Ende. Das war auch Thema des Evangelischen Kirchentages in Köln, der heute zu Ende geht. Für mich ist die Kirchentagsbewegung so ein Engel, der uns zuruft: Trotz allem, trotz aller Hindernisse, trotz aller Verzweiflung – gib die Hoffnung nicht auf, mit dir nicht und mit den anderen nicht. Wenn Gott dich nicht aufgibt, dann brauchst auch du nicht aufgeben. Und wo alle Wege abgeschnitten scheinen, wo das Leben einer Sackgasse gleicht, da lass dir zurufen: Steh auf und iss! Du hast einen weiten Weg vor dir. https://www.kirche-im-swr.de/?m=1426
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