SWR2 Wort zum Sonntag

SWR2 Wort zum Sonntag

Worauf können wir vertrauen? Das ist eine der Grundfragen der Menschen. Wie können wir frei und ohne Angst in die Zukunft schauen? Wie können wir gelassen bleiben, wenn die Probleme in der Gesellschaft, in der Politik und auch in der Kirche so unüberschaubar werden, dass nur noch Verwirrung übrig bleibt? 
Das Wort „Vertrauen" steht wie eine Generalüberschrift über dem heutigen 1. Adventssonntag und dem beginnenden Kirchenjahr: „Mein Gott, dir vertraue ich. Lass mich nicht scheitern", so wird die Liturgie mit einem Wort aus den Psalmen eröffnet. Und weiter heißt es: „Niemand, der auf dich hofft, wird zuschanden." (Psalm 25,1-3) 
Ich möchte dieses Wort gerne auch über das „Jahr des Glaubens" stellen, das Papst Benedikt XVI. ausgerufen hat. Es hat gerade begonnen. „Mein Gott, dir vertraue ich". Eine Art Kurzform von Glaubensbekenntnis. Natürlich, das Glaubensbekenntnis der Kirche ist umfangreicher. Und es ist sicher wichtig, sich des Reichtums unseres Glaubens immer wieder zu vergewissern und diesen Glauben zu vertiefen. Aber beim Vertrauen geht es doch zuerst und zuletzt um das, was Glaube ganz ursprünglich meint: dass wir uns mit allem, was unser Leben bestimmt, erfreut, ängstigt, hoffen lässt, an Gott hängen, der treu ist und auf den wir uns verlassen können. Es geht darum, dass wir unser Vertrauen auf Gott, der unendlich viel größer ist als unser oft so kleingläubiges Herz, anderen Menschen weiter schenken, damit sie Mut für ihr Leben finden. Ich erhoffe mir von einem Jahr des Glaubens, dass möglichst viele Menschen mehr Vertrauen ins Leben bekommen. 
Ich sage dies auch im Hinblick auf das Zweite Vatikanische Konzil. Auch an den Beginn des Konzils vor 50 Jahren soll mit diesem Jahr des Glaubens erinnert werden. Es schmerzt mich, dass dieses größte und schönste Ereignis der neueren Kirchengeschichte heute, sofern es nicht schon in Vergessenheit geraten ist, so sehr im Streit der Deutungen zerrieben wird. Uns, die Theologen meiner Generation, die wir als junge Menschen das Konzil erlebt haben, hat dieses Konzil begeistert und in unserem Glauben ermutigt: Die Kirche hat Türen und Fenster weit geöffnet - damit nach Generationen währender Erstarrung frischer Wind herein kommen kann und vor allem, dass sie offen wird für die Menschen. Auch für Menschen außerhalb der Kirche. [Dass die Menschen sich ernst genommen sehen in dem, was ihr Leben ausmacht; dass sie sich in ihren Sorgen wahrgenommen wissen; dass sie in den Entscheidungen ihres Gewissens verstanden und ihrem religiösen Bekenntnis respektiert werden.]Wie viel Hoffnung haben wir auf den ökumenischen Dialog gerichtet, auf die Achtung der nicht christlichen Religionen und besonders auf die Versöhnung mit den Juden! Und wie viel Hoffnung auch auf einen neuen kollegialen, geschwisterlichen Umgang in der katholischen Kirche selbst! 
All das ist ein Vermächtnis des Konzils, das bleibt und das gilt. Dabei geht es nicht darum, ob die Kirche mehr oder weniger konservativ oder mehr oder weniger progressiv ist. Es geht darum, dass in der Kirche das Vertrauen auf den stets größeren Gott die Enge und die Angst überwindet. Dass der Glaube uns frei macht. Es geht darum, dass die Kirche transparent ist auf den treuen Gott hin und auf Jesus Christus, den Immanuel, den Gott-mit-uns. Das Wunder Gottes möge in der Kirche aufscheinen. Das Wunder Gottes, der unendlich viel weiter ist als alle Worte und Bilder, die ihn zu fassen versuchen. Und der doch so unendlich nahe ist, dass Menschen sich ihm anvertrauen können. Und dass sie mit IHM, ihrem Leben und der Zukunft trauen können, auch wenn  vieles so schwer und undurchschaubar ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13765
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