SWR4 Sonntagsgedanken

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Feiertagsgedanken Pfingstmontag Baden-Württemberg

Wie angenehm: Auch der Pfingstmontag ist staatlicher Feiertag! Doch was wird da gefeiert? - Ich lade Sie zu einer kleinen Gedankenreise sein, die uns vielleicht auf eine richtige Spur bringen kann.
Angenommen, Sie malen einen i-Punkt auf Ihren Handrücken und betrachten diesen unter einem Spezial-Mikroskop. Unglaublich, da haben über 500 Ihrer Körperzellen Platz! – Bei Schärfer-Einstellung: Wahnsinn! Jede Ihrer Körperzellen besteht aus Milliarden Molekülen und jedes Molekül wieder aus einer Unzahl von Atomen! - Nun gibt es kein Zurück mehr. Angenommen, Sie nehmen sich jetzt ein einzelnes Atom vor. Hier sausen auf Kugelbahnen kleinste Teilchen umher und zwar mit einer Geschwindigkeit von 100 Billionen Umdrehungen in der Sekunde.
Weit, weit davon entfernt entdecken Sie den Atomkern. Achtung! Kopf einziehen! Hier wird Ping-Pong gespielt! Protonen und Neutronen werfen sich pausenlos mit Lichtgeschwindigkeit - das sind rund 300 000 km in der Sekunde - andere kleine Teilchen zu. So ist dafür gesorgt, dass der Kern nicht auseinander fliegt, sprich, dass Ihr Handrücken mit dem i-Punkt immer noch fest und ruhig vor Ihnen liegt. – Wahrhaftig: eine Reise, bei der einem Hören und Sehen vergeht! Unglaublich das Ganze, aber von Wissenschaftlern nachgewiesen und in Wirklichkeit noch viel komplizierter!
Welch geheimnisvolle Kraft und Intelligenz ist hier am Werk? Was ist das für eine Energie, die in allem steckt, und woher kommt sie? Auf diese Urfragen gibt es keine wissenschaftliche Antwort mehr, aber eine des Glaubens, wie auch immer diese aussehen mag...
Christen feiern an Pfingsten den Geist Gottes, den „Heiligen Geist“. Sie bekennen, dass es Gott ist, der die Welt ins Dasein gerufen hat, sie mit seinem schöpferischen „Atem“ durchdringt und sich immer weiter entfalten lässt. Hildegard von Bingen, eine bedeutende Frau des 12. Jahrhunderts, besang diesen Schöpfergeist in Versen:

Feuer du und Tröster-Geist,
Leben des Lebens aller Geschöpfe! (…)
Durch dich
wogen die Wolken und fliegen die Lüfte,(…)
bringen die Quellen die Bäche hervor,
lässt sprossen die Erde das Grün.


Das ist, meine ich, ein schönes Pfingstprogramm: innehalten, staunen und
sich freuen an den Wundern der Schöpfung.


Unterscheidung der Geister

Vor Jahren sah ich einen Spielfilm über eine gefährliche Jugendsekte. Ein junges Mädchen spielt die Hauptrolle. Sie ist zunächst begeistert von der neuen Gruppe, wird dann aber misstrauisch. In einer Schulungsstunde stellt sie kritische Fragen und macht damit die Leitung der Sekte nervös. Der oberste Boss kommt persönlich angereist, um den Widerstand sofort im Keim zu ersticken. Dann folgte für mich die unheimlichste Szene: Perfekt gekleidet und gestylt, tadellos aussehend tritt der Sektenführer vor die versammelten Jugendlichen, die sich nicht zu rühren wagen. „Hier herrscht ein negativer Geist!“, sagt er mit schneidender Stimme und lässt seine Augen erbarmungslos prüfend von einem zum anderen gehen. „Satan will unser Werk zerstören.“ Die Angeredeten erstarren. Von dieser Person, obwohl hier nur im Film, ging ein derartig gewalttätiger, alles zermalmender Wille aus, dass ich es geradezu körperlich spürte. „Totale Unterwerfung!“, hieß das. Ein diktatorischer Geist - und das im Namen der Religion!
In unserer Gesellschaft gibt es sehr unterschiedliche Geister und manche von ihnen kommen ganz harmlos daher: „Geiz ist geil!“ – „Nach mir die Sintflut!“ –„Ausländer raus!“ – „Mir schenkt auch keiner was!“
Sein eigenes Ich ausleben, eigene Ansprüche durchsetzen, Konkurrenten aus dem Feld schlagen – das sind heute öffentlich propagierte Verhaltensweisen. Soll tatsächlich blanker Egoismus unser Leben bestimmen?

Schon für die ersten Christen war es nicht leicht, zwischen guten und bösen Geistern zu unterscheiden. Der Apostel Paulus nennt ein verblüffend einfaches Kennzeichen: ‚An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.’ Das heißt, man soll sich nicht von dem beeindrucken lassen, wovon jemand mit Worten „tönt“, sondern hinschauen, was „dabei herauskommt.“ Zur Negativliste des Paulus gehören: „Ausschweifendes Leben“, „Feindschaften, Streit“, „ Neid und Missgunst“. Das dürfte uns – auch nach 2000 Jahren – sehr bekannt vorkommen!
Ein Leben im Geiste Jesu wirkt sich nach Paulus anders aus. Seine Stichworte: „Liebe“ und „Friede“, Treue“ und „Selbstbeherrschung. Gleich an zweiter Stelle nennt er die „Freude“ als wichtiges Kennzeichen eines „guten Geistes“ Dabei geht es nicht um beständig gute Laune, sondern um eine tief innere Freude , die aus der Verbundenheit mit Gott kommt. Der ständige „Funkkontakt“ zu Gott ist es, der – auch mitten im Leiden – „stabil“ machen kann., das Vertrauen auf seinen Geist, der alles neu machen wird – uns und die ganze Schöpfung.
Pfingsten will diese Hoffnung wach halten - gegen alle Resignation und Verzweiflung. Und so heißt es in einem alten Pfingstlied:

Komm, Heilger Geist, der Leben schafft,
erfülle uns mit deiner Kraft.
Dein Schöpferwort rief uns zum Sein;
Nun hauch uns Gottes Odem ein.

(Gotteslob Nr. 241)


Die „physikalischen“ Beispiele zu Beginn der Ansprache verdanke ich dem lesenswerten Buch „Die Jagd nach dem kleinsten Baustein der Welt“ von Gerhard Staguhn, dtv 62152, München 2. Auflage 2005.

Die Paulus-Zitate stammen aus seinem Brief an die Galater , Kapitel 5, 19 – 23. https://www.kirche-im-swr.de/?m=1369
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