SWR2 Wort zum Sonntag

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Erasmus von Rotterdam hasste den Fanatismus. Er wandte sich offen und mit Humor gegen vieles, was in der Kirche schief lief. Er nannte den Krieg den „Schiffbruch aller guten Dinge".  Aber Martin Luther, sein Zeitgenosse, nannte ihn den „grimmigsten Feind Christi", „einen listigen, tückischen Mann" und den „größten Feind Gottes". Heute werden nach Erasmus Schulen benannt und ein renommiertes Stipendium für Auslandsstudien. Sein Name steht für den Gedanken, dass die ganze Welt ein Vaterland aller Menschen sein sollte Europa ein Ort der Friedens und der Freiheit.
Griechische Weisheit und christliche Frömmigkeit, Sokrates und Jesus, gehörten für ihn zusammen.  Und da, wo andere nur das Trennende zwischen evangelischer und katholischer Kirche sahen, erkannte er: die Hauptsache bleibt doch, dass Christen auch als Christen leben. Aber die katholische Kirche setzte seine Bücher lange Zeit auf den Index, und Martin Luther beschimpfte ihn wüst.
Geboren wurde Erasmus er 1466 - als Kind eines katholischen Priesters. Später wird er selbst Mönch, dann Priester. Doch nach ein paar Jahren verabschiedet er sich still und leise von diesem Leben als Geistlicher. Sein Freiheitsdrang erträgt Klostermauern genauso wenig wie geistige Borniertheit. Erasmus wird einer der führenden Gelehrten Europas - und dazu braucht er Ruhe für seine Arbeit.
Christus, so schrieb er, war sanftmütig, geduldig, und verachtete alles Irdische. Daran müsse man seine Stellvertreter auf Erden messen. Die bräuchten keine Kleider mit geräumigen Taschen, und nur ein einziges Schwert dürften sie führen, das des Geistes. „Die Quintessenz unserer Religion ist Friede und Einmütigkeit." Christen sollten Freunde der Wahrheit sein, gerade wie die antiken Philosophen. Wo immer man Wahrheit erkenne, dürfe man sie als christlich betrachten. Christ sein ist für ihn nur ein anderes Wort für Mensch sein im besten Sinne.
Der Name Christi sollte die Menschen vereinen, nicht trennen. Diese einfache Einsicht  will er vermitteln. Darum auch sein Einsatz für den Frieden und gegen den Krieg. Er setzte sich ein für die Abschaffung des Krieges, unter anderem in einem Aufsatz mit dem Titel: „Nur denen, die ihn nicht erfahren haben, scheint der Krieg schön." Dass Tiere übereinander herfallen,  könne man verstehen. Aber Menschen? Vernünftige Wesen? Krieg könne niemals gerecht sein und treffe immer die Unschuldigen.
Spätere Zeiten nannten Erasmus einen „Stubenidealisten", dessen Gedanken der Wirklichkeit nicht standhielten. Sie warfen ihm „Kulturoptimismus" vor. Aber was für einen Sinn hat die Pflege von Kultur, wenn man sie nicht mit Optimismus betreibt und mit dem Ziel, dass sie dem friedlichen Zusammenleben der Menschen dient?
Zudem machte der Optimismus Erasmus nicht blind. Im Gegenteil. „Alle haben sie diese fünf Worte im Munde: Evangelium, Gottes Wort, Glaube, Christus und Geist, und doch sehe ich viele von ihnen sich so aufführen, als seien sie vom Teufel besessen", urteilte er. Er wusste, wie viel leichter es ist, die Menschen gegeneinander aufzubringen als sie zu beschwichtigen. Er erkannte, „wie dunkel alle menschlichen Angelegenheiten sind."  Und doch blieb er dabei, die Freiheit und den freien Willen der Menschen zu unterstreichen.  Gerne hätte er eine Welt erlebt, in der Menschen ihre Ideale nicht dazu benutzen, um mit beruhigtem Gewissen übereinander herzufallen.
Die Kardinalswürde, die ihm später  angeboten wurde, reiche Pfründe vom Papst , lehnte Erasmus ab. Luther, der ihn als Atheisten und Gottesleugner beschimpft hatte,  bemühte sich, einzulenken. Aber Erasmus ließ ihn wissen: Was zwischen ihnen geschehen ist, sei für ihn nicht mehr wichtig, da er bald sterben werde. Ein friedliches Europa, eine friedliche Welt, das blieb sein Lebenstraum. Und ein Christentum, das überzeugt, weil es Gerechtigkeit und Frieden fördert.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13377
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