SWR2 Wort zum Sonntag

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24. Juni: In einem halben Jahr ist Heiligabend. Und so wie der christliche Kalender am 24. Dezember an Jesu Geburt erinnert, so erinnert der heutige 24. Juni an die Geburt Johannes des Täufers. Im christlichen Kalender ist heute Johannestag.
Ich gebe zu, so klar war mir diese kirchliche Wertschätzung für Johannes lange nicht. Man kann Johannes den Täufer unterschätzen. Auch darin, wie wichtig er für Jesus gewesen ist.
Außer dem Johannes-Tag gibt es noch weitere Hinweise, die seine Bedeutung signalisieren. In der christlichen Kunst z.B. ist Johannes wohl nach Jesus und Maria die eigenständigste und am häufigsten dargestellte Figur. Immer wieder hat eine Szene die Künstler beschäftigt: Johannes im Jordan - meistens trägt er nur einen einfachen Umhang - gießt Jesus Wasser über den Kopf. Johannes bei der Tätigkeit, die sein Kennzeichen geworden ist: „Der Täufer".
Auf den meisten Darstellungen fließt das Taufwasser eher spärlich. In Wirklichkeit hat Johannes Jesus wohl untergetaucht. Johannes war gründlich und radikal.
Seine Taufe hat tief eingegriffen in das Leben der Menschen.
Lukas zitiert ihn: "Ihr Schlangen! Wie kommt ihr darauf, dass ihr dem bevorstehenden Gericht Gottes entgeht? Zeigt durch euer Verhalten, dass ihr euer Leben wirklich ändern wollt!" (Luk 3,7f). Er warnt die Menschen vor religiöser Selbstzufriedenheit, fordert sie auf, ihr Leben neu auszurichten. Sich der Zukunft anders zu stellen und zu öffnen. Menschen, die sich von ihm haben taufen lassen, gestehen sichtbar ein: „Ich kann nicht so weiter leben wie bisher."
Und Aufbruch signalisiert auch die Taufe Jesu. Jesus hat Johannes wohl gezielt gesucht. Angezogen von seiner radikalen Kritik am Jerusalemer Tempel. Aus Galiläa, dem Norden Israels, ist Jesus nach Judäa, nach Süden, gekommen. Immerhin eine Entfernung von gut 100 km. Später haben ihre Wege sich wieder getrennt.
Trotzdem zeigt mir diese Taufe: Johannes und Jesus gehören zusammen. Und Johannes hat Jesus wohl auch geprägt. Beide haben sich abgewandt von der religiösen Omnipräsenz des Tempels in Jerusalem und den Lehren der dortigen Religionsbeamten.
In der Bibel wird das bereits hinein erzählt in die Geburt des Johannes. Eigentlich lag eine ordentliche Laufbahn am Tempel in Johannes Familie. Auch sein Vater war Priester. Aber es kommt anders. Der Evangelist Lukas erzählt:
Für Elisabet, seine Mutter, kam die Zeit der Geburt und sie brachte einen Sohn zur Welt. Ihre Nachbarn und Verwandten hörten, dass der Herr ihr so große Barmherzigkeit erwiesen hatte. Sie freuten sich mit ihr. Als das Kind acht Tage alt war, kamen sie zur Beschneidung. Sie wollten ihm den Namen seines Vaters Zacharias geben.
Aber Elisabet widersprach: "Nein, er soll Johannes heißen!" Die Verwandten hielten ihr entgegen: "Es gibt niemanden in deiner Verwandtschaft, der so heißt."
(Lk. 1, 57-66)
Aber als der Vater dann auch bestätigt, dass er mit der Familientradition brechen will, wird aus dem kleinen Mann „Johannes". Zu deutsch: „Gott ist gnädig." So weit die Erzählung bei Lukas.
Erstaunlich modern finde ich diese Geschichte: Mutter und Vater zeigen: Wir befrachten unser Kind nicht mit unseren Vorstellungen und Hoffnungen. Wir öffnen uns und sein Leben den Möglichkeiten Gottes. Erstaunlich.
Mir gibt dieser Johannestag zu denken:
Wenn Johannes und Jesus so zusammengehören, dann gehört zum Christentum immer auch dieser radikale Geist, der nach Veränderung ruft. Nach Kritik an Verkrustung. Auch in den Kirchen.
Eines kann man von Johannes jedenfalls nicht lernen: Dass Tradition und Ruhe erste Christen- und Bürgerpflicht seien. Im Gegenteil. Johannes strahlt vielmehr radikale Unruhe, Zukunfts- und Gottesorientierung aus. Und Jesus hat genauso gelebt mit seiner ganzen Existenz.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13291
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