SWR2 Wort zum Tag

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Gerechter Lohn - der wird auch heute wieder von den Gewerkschaften in zahlreichen Veranstaltungen gefordert. In Warnstreiks, Streiks und langwierigen Tarifverhandlungen mit privaten und öffentlichen Arbeitgebern wird immer wieder darum gerungen, dass gute Arbeit auch entsprechend bezahlt wird. Das ist auch notwendig. Es ist ungerecht, wenn der Lohn für Arbeit hohen Gewinnen nicht annähernd entspricht. Es ist schwer nachzuvollziehen, wenn die Erhöhung der Löhne nicht wenigstens einen Inflationsausgleich bringt. Es ist nicht akzeptabel, dass Frauen für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen. Es ist nicht in Ordnung, wenn tarifliche Vereinbarungen durch Leiharbeit bewusst umgangen werden, um den Gewinn zu maximieren. Es ist ein Unding, dass immer mehr Menschen voll arbeiten, aber dann so wenig verdienen, dass es für ein menschenwürdiges Leben einfach nicht reicht. Das Verhältnis von Gewinn, Arbeit, Lohn und Auskommen muss gerecht gestaltet werden!
Im Matthäusevangelium erzählt Jesus eine Geschichte, in der es um gerechten Lohn geht: Ein Weinbergbesitzer stellt früh am Morgen Leute für die Weinlese ein. Er handelt mit ihnen einen Tarif aus und schickt sie in seinen Weinberg. Bald merkt er, dass die Arbeitskräfte nicht ausreichen und stellt noch mehr Leute ein. Im Laufe des Tages wiederholt sich das noch dreimal, zuletzt erst eine Stunde vor Feierabend. Dann werden die Löhne ausgezahlt - und alle bekommen den gleichen Lohn. Kein Wunder, dass die, die den ganzen Tag über in der Hitze geschuftet haben, murren. Man kann die Murrenden verstehen: Muss nicht auch der Lohn einer erbrachten Leistung entsprechen? Der Weinbergbesitzer verweist aber auf den ausgehandelten Lohn und fragt einen von ihnen: Bist du neidisch, weil ich gütig bin?
Wie so oft kleidet Jesus, was er Menschen über Gott sagen will, in Geschichten aus dem Alltag. Hier bildet er die Gerechtigkeit Gottes ab. Seine Gerechtigkeit ist Güte. Durch sie wird er Menschen gerecht. Sie zeigt sich darin, dass Gott den Wert der Menschen nicht nach ihrer Leistung bestimmt, sondern sich ihnen aus Güte zuwendet und ihnen die Liebe schenkt, die sie brauchen. In seiner Geschichte meint Jesus also nicht Regeln, die völlig verändern, was wir in der Arbeitswelt für gerecht halten, z. B. dass beim Lohn für Arbeit unterschiedliche Befähigungen und unterschiedliche Leistungen zu berücksichtigen sind, dass darum der Lohn nicht für jede Arbeit gleich sein kann. Und doch gibt Jesu Geschichte auch für die Gerechtigkeit in der Arbeitswelt einen wichtigen Hinweis: Der mit den zuerst eingestellten Arbeitern vereinbarte Lohn beträgt einen Dinar. Und das war, was eine Familie damals für einen Tag brauchte, um leben zu können. Diesen „Mindestlohn" lässt der Weinbergbesitzer dann auch denen zukommen, die nur eine Stunde gearbeitet haben. Auch sie sollen für sich und ihre Familie haben, was zum Leben nötig ist. Alle, die im Weinberg gearbeitet haben, sind für den Weinbergbesitzer Menschen mit Grundbedürfnissen, die der Weinbergbesitzer durch sein Verhalten berücksichtigt. Das ist gerecht und wird denen, die gearbeitet haben, gerecht. In diesem Sinne entspricht die Gerechtigkeit, in der Gott Menschen gerecht wird, der Gerechtigkeit in der Arbeitswelt und hat für diese Bedeutung. Auch dort geht es nur gerecht zu, wenn sich nicht nur Leistung und Lohn entsprechen, sondern mit bedacht wird, was Menschen für ein menschenwürdiges Leben brauchen. Das ist ein entscheidender Gesichtspunkt für die Diskussion über Mindestlöhne oder für die Bewertung und Vergütung der Arbeit z.B. Behinderter und nicht so Leistungsfähiger.  So ist deutlich: Auch in der Arbeitswelt muss sich Gerechtigkeit mit „Güte", das heißt mit sozialer Verantwortung verbinden, wenn es in ihr menschlich zugehen soll.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12957
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