SWR2 Wort zum Sonntag

SWR2 Wort zum Sonntag

Ich möchte Sie heute in die Welt biblischer Bilder mitnehmen - genauer gesagt: in die Welt der Gleichnisse. Gleichnisse sind Bilder der Sprache. Sie sprechen von Gott in einer Weise, wie sie Gottes angemessen ist - nicht erklärend und rational, sondern in Geschichten, die die Menschen verstehen und die sie in der Tiefe ansprechen, ohne den unsagbaren Gott in ein System von Argumenten einzusperren. Jesus, so sagt der Bibeltext zum heutigen Sonntag, habe zu der „Volksmenge" so gesprochen, wie diese es verstehen konnten - einfache Leute vermutlich, die mit ihm gegangen sind und ihm zugehört haben. Er habe nie ohne Gleichnisse zu ihnen gesprochen, heißt es. Die Gleichnisse, die Jesus den Menschen erzählt hat, sind Bilder, die Erfahrungen ihres Alltags aufgreifen und die dennoch überraschen; Bilder, die auf die Wunder der Natur und der Schöpfung zu sprechen kommen und dabei die verborgene Tiefe allen Lebens aufleuchten lassen. Das erste der beiden Gleichnisse zum heutigen Sonntag lautet so: „Mit dem Reich Gottes ist es wie mit einem Mann, der Samen auf seinen Acker sät. Er schläft und steht wieder auf; es wird Tag und es wird Nacht, der Same keimt und wächst, und der Mann weiß nicht wie. Von selbst bringt die Erde ihre Frucht, zuerst den Halm, dann die Ähre, dann das volle Korn in der Ähre. Sobald aber die Frucht reif ist, legt er die Sichel an; denn die Zeit der Ernte ist da." (Markus 4,26-29) Vom „Reich Gottes" ist in diesen Bildworten die Rede. Und es wird deutlich, dass damit keine Institution gemeint ist, kein Reich im Sinne einer politischen Macht oder einer sozialen Organisation. Gott selbst ist mit seinem Handeln gegenwärtig; darum geht es. Und Menschen können über Gottes Handeln nicht verfügen oder es erzwingen; schon gar nicht ist es das Ergebnis eines Fortschrittsprozesses, zu dem sie mit ihren Aktivitäten und Strategien etwas beitragen könnten. Im Gegenteil: sie können gelassen sein, sie können es geschehen lassen, ohne zu wissen wie. Und sie können sich davon überraschen lassen, wie aus unscheinbaren und unspektakulären Anfängen etwas Wunderbares entsteht. Das „Reich Gottes", sagt Jesus in diesem Gleichnis, ist das unfassbare Wunder, dass Gott in unserem Leben handelt - auch dort wo wir es gar nicht ahnen. In Ereignissen vielleicht sogar, denen wir keinerlei Bedeutung zumessen. In Menschen vielleicht, von denen wir es überhaupt nicht erwarten würden. Vielleicht sogar dort, wo alles so aussieht, als gäbe es keinen Gott. Und einmal, so dieses Gleichnis weiter, werden wir staunend vor einer unfassbaren Fülle stehen. Um den Gegensatz zwischen dem unscheinbaren Anfang und der überraschenden Fülle geht es auch im zweiten Gleichnis, im zweiten Bildwort des heutigen Bibeltextes: „Jesus sagte: Wie sollen wir das Reich Gottes schildern, wie sollen wir es beschreiben? Es gleicht einem Senfkorn: Es ist das kleinste unter den Samenkörnern, die man in die Erde sät. Ist es aber gesät, dann geht es auf und wird größer als alle anderen Sträucher und treibt große Zweige, so dass in seinem Schatten die Vögel des Himmels wohnen können." (Markus 4,30-32) Ein weiteres Bild ist in diesem Gleichnis noch enthalten: die Vögel des Himmels können im Schatten des großen Baumes wohnen. Ich denke, dieses Bild will sagen, dass der Lebensraum Gottes allen Menschen Platz und Geborgenheit schenkt - nicht nur einigen wenigen Auserwählten, sondern allen: Großen und scheinbar Geringen, Wichtigen und scheinbar Unwichtigen; solchen, die „drinnen" sind und solchen, die „draußen" zu sein scheinen. Menschen, die im Glück leben und auch solchen, die leiden oder deren Lebensentwürfe vielleicht sogar gescheitert sind. Platz und Heimat auch für Menschen über alle Grenzen der Herkunft, des Denkens und Glaubens, der Kultur oder der Weltanschauung hinweg. Und schließlich: dass die ganze Schöpfung ihren Platz in der Liebe Gottes hat. Und wie könnte man diese Lebensfülle Gottes anders beschreiben als in Bildern?

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