SWR2 Wort zum Sonntag

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Manchmal begreift man nur über Missverständnisse und auf langen Wegen, was einem hilft und das Leben heilt. Davon erzählt eine der schönsten Geschichten des Alten Testamentes. Sie handelt von Naamann, dem Oberbefehlshaber der syrischen Armee, einem mächtigen und von seinem König hoch geschätzten Mann. So manchen Sieg hat er schon für sein Land erfochten. Auch gegen Israel hat er gekämpft. Dieser mächtige Mann war aber nun schwer erkrankt. Er war „aussätzig", hatte also vermutlich Lepra. Die Ärzte haben ihm nicht helfen können. So resignierte er und meinte begreifen zu müssen, dass er nicht mehr gesund werden kann. Es ist ja manchmal so, nicht nur bei schwerer Krankheit, dass man in einer bedrängenden Situation die Hoffnung verliert und resigniert. - Nun lebte im Hause Naamannns ein junges Mädchen, das auf einem der Kriegszüge gegen Israel verschleppt worden war. Sie hatte Mitleid mit dem Leidenden und machte Ihrer Herrin eines Tages einen abenteuerlichen Vorschlag; d.h. sie deutet ihn an: Ach, wäre doch mein Herr bei dem Propheten in Samaria! Der könnte ihn von seinem Aussatz befreien! Man stelle sich vor: Der höchste Offizier des Landes soll in ein Land fahren, das er bekriegt hatte. Wie sollte er ausgerechnet dort Hilfe finden! War das nicht eine verrückte Idee einer unbedarften, kleinen Sklavin? Aber erstaunlich und gut: Naamann geht auf den Vorschlag ein und greift nach dem ihm dargebotenen Strohhalm. Ebenso erstaunlich: Sein König erlaubt ihm die Ausreise und gibt ihm einen Brief an den König von Israel mit. Der soll für die Heilung sorgen.

Naamann macht sich auf den langen Weg und kommt zum Hof des Königs von Israel. Als der den Brief des syrischen Königs liest, erfasst ihn blankes Entsetzen. Wer bin ich denn, dass ich heilen könnte! Bin ich denn Gott, schreit er! Sucht der militärisch überlegene Syrer etwa einen Kriegsgrund? Was für ein Missverständnis! Wie häufig sind Vorurteile und Missverständnisse zwischen Menschen mit unterschiedlichen Überzeugungen und zwischen Völkern oder Volksgruppen, die Feinde waren! Reflexartig werden böse Absichten bei Begegnungen unterstellt, und es ist schwer, eine unbefangene Einschätzung der Anderen zu erreichen. - Nun hat der Prophet Elisa hat von der dramatischen Szene am Hof gehört und fordert den König auf, Naamann zu ihm zu schicken. Der macht sich auf und kommt mit Rossen und Wagen zum Haus des Propheten. Elisa aber verlässt das Haus nicht einmal, sondern lässt ihm nur sagen: Geh hin und wasche dich siebenmal im Jordan, so wirst du heil werden. Wutentbrannt fährt Naamann mit seiner Staatskarosse davon. Er fühlt sich missachtet und hat etwas ganz Anderes erwartet: eine Begegnung mit dem Wunderheiler, statt des Bades im trüben Wasser des Jordan komplizierte Riten, die den Heilungsprozess eventuell in Gang setzen würden. Er kann es nicht fassen. Wieder sind es kleine Leute, seine Diener, die ihn umstimmen und ihn von einem grundlegenden Missverständnis befreien können - mit einem schlagenden Argument: Wenn der Prophet etwas Schwieriges von Dir verlangt hätte, hättest Du es doch getan. Warum solltest Du nicht das Einfache versuchen! Er versucht es - und wird geheilt. Natürlich eilt er jetzt zurück zum Propheten und will ihn fürstlich belohnen. Der spricht jetzt mit ihm, lehnt aber eine Belohnung strikt ab. Und jetzt geht Naamann nach vielen Missverständnissen auf: Ich musste vom Podest meiner Selbsteinschätzung und meiner Erwartungen herunter. Ich soll verstehen, dass mich nicht die heilenden Kräfte des Propheten gesund gemacht haben; Gott hat es getan. Ich kann jetzt sehen, dass ich nicht nur meine Krankheit loswerden, sondern Gott begegnen sollte und erfahren: Er macht das Leben heil; ihm kann ich, ob gesund oder krank, vertrauen. auf ihn hoffen. - Der Weg zum Glauben ist manchmal lang, und Missverständnisse sind nicht zu vermeiden. Aber gerade über sie kann es zu neuen Erfahrungen kommen, durch die man findet, was einem hilft.

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