SWR1 3vor8

SWR1 3vor8

(Apg. 6, ß-10, 7, 54-60)
Und schon ist Schluss mit der kuscheligen Weihnachtsidylle. Mit der Steinigung des Stephanus bricht die knallharte Realität in die Welt von Lametta und Kerzenduft. Es geht um einen Akt der Lynchjustiz, von dem heute in den katholischen Kirchen zu hören ist. Was ist passiert? Kaum dass Jesus diese Welt verlassen hatte, stritten seine Anhänger. Sie stritten darum wie der neue Glaube richtig gelebt werden solle. Und über diese Streitigkeiten verloren sie den Kern, das Herz seiner Botschaft aus den Augen. Ein wohl zeitloses Phänomen, Gott sei's geklagt... Bei Stephanus ging es darum ob dieser neue Glaube auch außerhalb des Tempels und ohne die religiöse Gesetze der Juden praktiziert werden könne. Dazu muss man wissen, dass der Tempel das religiöse Heiligtum der Juden war. Wer den Tempel in Frage stellte, der griff das jüdische Volk und seinen Gott an. Und nicht zuletzt auch die religiösen Machthaber und das Geld, das sie mit dem Tempelkult machten. Darauf stand die Todesstrafe, die auch schon Jesus an's Kreuz gebracht hatte. Hinter diesem Konflikt versteckte sich noch ein anderer. Die ersten Christen bestanden aus 2 Gruppen. Alle waren sie Judenchristen. Stammten also aus dem Judentum mit seinem Glauben, Gesetzen und Traditionen. Die einen, die aramisch sprechenden waren sozusagen die eingeborenen Judenchristen. Und dann gab es die griechisch sprechenden Judenchristen, aus anderen Regionen. Die griechisch sprechenden fühlten sich den jüdischen Glaubensvorschriften nicht verbunden. Stephanus war die Führungsfigur der griechischen Judenchristen. Eine starke Persönlichkeit, ein Mann mit Charisma und geschliffener Rhetorik. Er war den aramäisch sprechenden Judenchristen wohl zu heftig und sie brachten ihn vor Gericht wo sie ihm Gotteslästerung vorwarfen. Mit einer großen Verteidigungsrede hat er seine Gegner so ins Mark getroffen und erzürnt, dass sie ihn spontan gelyncht haben. Ja und was sagt mir das alles am 2. Weihnachtsfeiertag? Es sagt mir, dass es bei jeder Auseinandersetzung, auch und gerade, unter Christen, immer auch um die Verhältnismäßigkeit der Mittel und der Reaktionen gehen muss. Dass sie sich auch und gerade bei Streitigkeiten auf die friedliche und lebensfreundliche Botschaft ihres Meisters besinnen sollten. Und schließlich sagt es mir auch, dass die Wahrheit, das was den Glauben im Innersten ausmacht durch nichts und niemanden unterdrückt werden kann.
Einen schönen 2. Weihnachtsfeiertag wünsch ich Ihnen!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12193
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