SWR1 Begegnungen

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Teil 1. Fragen und Antworten

Er hätte evangelischer Pfarrer werden können. Aber er ist Sänger geworden. Sehr erfolgreich sogar. Tim Bendzko ist ein echter Senkrechtstarter. Schon seit erster Song wird ein Hit. „Nur noch kurz die Welt retten" war wochenlang einer der meistgespielten Lieder in Deutschland. Der schnelle Erfolg kommt zwar überraschend, aber dass er Sänger werden wollte, wusste er schon ganz lange:

 Gefunden hab ich den Weg schon relativ früh, und hab halt jetzt einfach Glück, dass das jetzt genau alles so geklappt hat, wie ich mir das vorgestellt habe. Sicher, dass das mein Weg sein wird und muss, bin ich mir, seitdem ich zehn bin.

Tim Bendzko ist zur Zeit sehr gefragt. Seit der 26 jährige Berliner Sänger mit seinem Lied „Nur noch kurz die Welt retten" die Hitparaden gestürmt hat, will jeder etwas von ihm. Und trotzdem, als ich ihn bei einem Konzert hinter der Bühne treffe, wirkt Tim Bendzko ganz entspannt. Keine Spur von Starallüren. Dabei hat er jede Menge Talente: Fußball hat er gespielt, in der Jugendauswahl, Autos versteigert, und sogar evangelische Theologie studiert. Seinen Lebenslauf kommentiert er aber eher ironisch:

 Dass ich die Sachen gemacht habe, heißt ja nicht, dass ich da Talente habe. Man kann ja heutzutage auch ohne Talente viele Sachen machen.

 Und warum hat er Theologie studiert, will ich wissen? Er wollte eine Ordnung reinbringen in die Unordnung in seinen Kopf, sagt Tim Bendzko:

 Ich hab das studiert, eigentlich in erster Linie, weil's mich interessiert hat, und ich eben viel über Glaube, Religion, Philosophie nachgedacht habe. Und ich wollte einfach mal alle möglichen Ansätze da kennen lernen. Natürlich dann mit der Endkonsequenz, wenn ich alles kenne, ich mir dann irgendwelche Fragen nicht mehr stellen muss.

 Kann das gut gehen? Wenn einer, der eher atheistisch geprägt ist, Theologie studiert? Um zu verstehen, was die Welt zusammenhält? Kann man das Thema Glauben mit Vernunft analysieren? Das kann ich mir nur schwer vorstellen. Aber Tim Bendzko hat es versucht, er hat die Bibel gelesen, und hat an der Uni verschiedene Glaubensrichtungen kennen gelernt. Ob er Antworten auf seine Fragen gefunden hat, will ich wissen.

 Ja, es gab unfassbar viele Antworten, weil ich verschiedenste Religionen da kennen gelernt habe. Und das Ergebnis war für mich am Ende, dass es so viele plausible Sachen gibt, dass ich einfach keine Antwort brauche für mich. Ich muss nicht wissen, wie das funktioniert, weil es wahrscheinlich auch von alleine funktioniert.

Tim Bendzko hat also die Unordnung im Kopf auf seine ganz eigene Art und Weise gelöst. Warum soll er sich auf eine bestimmt Art und Weise zu glauben, festlegen? Diese Schlussfolgerung ist mir fremd, aber ich bin auch seit meiner frühesten Kindheit mit dem Katholischen Glauben vertraut. Im Studium habe ich gelernt, meine Religion zu verstehen. Aber in letzter Konsequenz ist der Glaube mehr als reine Vernunft. An dem Punkt, sagt Tim Bendzko, ist er ausgestiegen,:

Das hatte ich bei dem Studium relativ häufig, und dann wurd´s dann stellenweise echt absurd, was da für Sachen vorgeschlagen wurden. Wir hatten irgendwann einmal Niklas Luhmann, Systemtheorie, und das war total plausibel und es war am Ende nicht nötig, Gott ins Spiel zu bringen, weil das auch so funktioniert hat.

Ganz umsonst war das Theologiestudium trotzdem nicht: Tim Bendzko hat Ordnung für sich geschaffen. Manche Fragen stellt er sich nicht mehr, weil er weiß, dass es darauf keine eindeutigen Antworten gibt. Deshalb will er sich beim Glauben auch nicht festlegen:

 Also, ich hab so meinen Weg gefunden, wie das gut funktioniert. Und das hat ja auch was mit Glauben zu tun, weil ich im Endeffekt nicht weiß, ob das wirklich so funktioniert. Aber ich bin jetzt nicht gläubig im Sinne davon, dass ich irgendeiner Religionsgemeinschaft angehöre oder angehören möchte.

 Teil 2. Konsequenzen

Tim Bendzko ist einer, der sich Gedanken macht. Das merkt man seinen Texten an: „Wenn Worte meine Sprache wären", singt der Berliner in einem anderen seiner Lieder. Schon seit seiner Kindheit hat sich Tim Bendzko gefragt, was die Welt zusammenhält.

Und er wusste, dass er Lieder schreiben und singen will, seit er zehn Jahre alt war. Kein Wunder, dass sein erster Hit sich wie eine Hymne für Weltverbesserer anhört: „Ich muss nur noch kurz die Welt retten." Wer genau hinhört, merkt aber schnell, dass Tim Bendzko den Text ironisch meint:

In den Strophen geht's halt nicht darum, die Welt zu retten. Es ist einfach eine Floskel, die der Freund meiner Mutter immer zu ihr gesagt hat, wenn er Computer spielen gegangen ist. Und es für mich so ein bisschen stellvertretend, um eben zu sagen: Hier, komm, ich hab ganz wichtige Sachen zu tun - aber eigentlich macht man halt so belanglose Sachen.

 Die Zeit vertun, sich treiben lassen und dabei auch noch ganz wichtig tun, das kritisiert Tim Bendzko in seinem Lied. Belangloses Zeug zu machen, das ist nicht sein Ding. Deshalb hat er aufgehört, Fußball zu spielen und Theologie zu studieren. Und ich spüre in unserem Gespräch: Er meint es ernst.

 Also, ich finde, wenn man in irgendeiner Sache so seine Passion findet, dann sollte man dem auch nachgehen. Und wenn das irgendwie Würfel sammeln ist. Aber ich finde das ganz schwierig, wenn Leute ein Hobby haben - und machen dann einen Job, der ihnen keinen Spaß macht. Wenn man sich dafür interessiert und da so drin ist und gerne anderen Leuten da was mitgeben möchte, soll man Theologe werden. Das finde ich total super, und so ist das bei mir ähnlich. Ich hab nicht Lust, was anderes zu machen, außer Musik. Wenn das meine Passion ist, dann mach ich das.

 Das ist natürlich leicht gesagt, vor allem weil Tim Bendzko das Glück hatte, bei einer Castingshow der Mannheimer Pop-Band „Die Söhne Mannheims" entdeckt zu werden. Deshalb wirkt er sehr unbeschwert. Ich erlebe das bei vielen Menschen anders: Das eben nicht so viel Glück zusammenkommt. Dass was schief geht. Aber dass man auch scheitern kann, kann sich Tim Bendzko anscheinend nur schwer vorstellen. Er hat seine Berufung gefunden. Und das hat für mich dann doch mit dem Glauben zu tun: Mit dem Glauben, dass jeder Mensch seine Berufung finden kann, dass Gott für jeden Menschen viele Möglichkeiten eröffnet. Bendzko hat jetzt dank seines Erfolges viele Möglichkeiten. Aber er selbst weiß um die Grenzen dieses Erfolges, will kein Vorbild oder Vorzeige-Promi werden. Will nicht ganz alleine die Welt retten.

 Ich find das immer schwierig, so dieses Große - „Ich muss jetzt mal die Welt retten" ­- und sich vor jede Kamera stellen und erklären, wo ich in Uganda kleinen Kindern geholfen habe. Das soll jeder für sich so machen, wie er das für richtig hält.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=12012
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