Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Neulich - auf der Landstraße. Die Strecke wurde immer kurviger, die Straße uneinsehbar. Und so habe ich mich strikt an die Geschwindigkeitsbegrenzung gehalten. Sehr zum Ärger der ortskundigen Autofahrer, die mich denn auch bald rasant überholt haben. Zuerst bin ich versucht gewesen, ihrem Vorbild zu folgen und auch schneller zu fahren, aber dann ist mein Blick auf das Warnschild gefallen, das vor der nächsten Kurve aufgestellt war: „Der Tod fährt mit". Und ich habe meinen Fuß wieder vom Gas genommen.
„Der Tod fährt mit" - Gevatter Tod - sagte man früher. Gevatter - „Mitvater" - ein Pate, der einen durchs Leben führt. Der Tod als Beifahrer, als Lebensbegleiter - eine merkwürdige, eine unheimliche Vorstellung?
Natürlich weiß ich, dass der Tod zum Leben dazu gehört. Und auch wenn ich darüber nicht gerne nachdenke, holt mich die Tatsache doch immer wieder ein. Meine Eltern sind inzwischen weit über 70 Jahre alt - sie könnten jedes Jahr sterben. Und auch in  meinem Bekanntenkreis nehmen Todesfälle und schwere Krankheiten zu - auch bei Leuten, die erst in den Fünfzigern oder Sechzigern sind.
Der Tod fährt mit! Mein Blick ist automatisch zum leeren Beifahrerplatz geschwenkt. Fast habe ich ihn da sitzen sehen können - den Gevatter Tod. Auf Bildern oder in Filmen ist er oft als Angst einflößende Gestalt dargestellt - aber so sehe ich ihn nicht. Wahrscheinlich weil ich ihn durch die Brille meines Glaubens sehe. Und weil ich deshalb davon überzeugt bin, dass nicht er das letzte Wort über mein Leben hat. Das letzte Wort wird Gott haben. Die Bibel fasst das wunderbar in Worte: „Nichts kann uns von der Liebe Gottes trennen - nicht der Tod und nicht das Leben, nichts Gegenwärtiges und nichts Zukünftiges" (Röm 8,38f).
Deshalb: Angst einflößend finde ich ihn nicht meinen Gevatter Tod. Für mich strahlt er eher Ruhe aus - und Autorität: Er wartet geduldig, bis für mich die Zeit gekommen ist, aber er stupst mich hin und wieder auch mahnend an - wenn ich seine Anwesenheit zu lange vergesse.
Und das finde ich gut so. Denn so erinnert er mich daran, dass ich meine Lebenszeit nutzen sollte. Zum Beispiel, um jetzt alles zu regeln, was mir für meinen Tod wichtig ist. Und vor allem: um mir Zeit zu nehmen für die Dinge, die jetzt wichtig sind. Meinen Kindern und meinem Mann immer wieder deutlich zu zeigen, dass ich sie liebe. Bei aller Arbeit immer auch Zeit für die Familie raus zu schinden. Auch mal etwas nur für mich zu tun.
Der Tod fährt mit - eigentlich ganz gut, dass ich mich immer wieder einmal daran erinnere. Sonst könnte ich glatt vergessen wie wertvoll das Leben ist.

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