Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Projekt Chance“ – es geht um die Chance für junge Straftäter, einen Weg in die Gesellschaft wieder zu finden. Dieses bundesweit einmalige Modell gibt es in Creglingen und in Leonberg, bekannt als Seehaus Leonberg. Vier Jahre alt ist das „Projekt Chance“, ein Strafvollzug in freien Formen: keine meterhohe Mauer, kein vergittertes Fenster, keine versperrte Tür. Dieses Modell ist inzwischen zur festen Einrichtung des Jugendstrafvollzugs in Baden-Württemberg geworden. Das Programm für die jungen Straftäter ist anspruchsvoll und aufwendig. Ein strikter Tagesablauf von 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr bedeutet tatsächlich mehr Freiheitsentzug als in einer geschlossenen Anstalt: Schule und Arbeit, Sport und Hausputz, gemeinnützige Dienste und soziales Training: ein durchgeplantes Erziehungsprogramm. Die jungen Leute leben in Wohngemeinschaften, die von Ehepaaren betreut werden. Neben dieser Familienstruktur, die die meisten der Jugendlichen nicht kennen, ist es den Verantwortlichen wichtig, Werte zu vermitteln. Werte, die dem Geist eines christlichen Menschenbildes entsprechen. Wer sich aus dem zentralen Jugendgefängnis in Adelsheim um einen Platz in Creglingen oder in Leonberg bewirbt, an den werden hohe Anforderungen gestellt: Der Bewerber muss sein Leben wirklich verändern wollen, Disziplin zeigen, klare Regeln befolgen und hoch motiviert sein. Wer es dann schafft, der kann sich auch am Arbeitsplatz bewähren, der findet seinen Weg in die Gesellschaft wieder. Die bisherigen Erfolge sprechen für sich: Keiner wurde rückfällig. Die jungen Straftäter haben zum ersten Mal in ihrem Leben eine Sache durchgezogen. Sie haben ihren Hauptschulabschluss nachgeholt, ein Berufsvorbereitungsjahr absolviert oder ihr erstes erfolgreiches Lehrjahr gefeiert. Ich finde dieses „Projekt Chance“ faszinierend. Und ich halte diese neue Form des Jugendstrafvollzugs für eine zeitgemäße Antwort auf das Wort Jesu: „Ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen.“ (Matthäus 25,36) Was das heißt, das macht Jesus deutlich, wenn er fortfährt: „Was ihr für eine meiner geringsten Schwestern, für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25,40) Übrigens: Anfangs demonstrierten Anwohner gegen das geplante Vorhaben in Leonberg. Heute sind sie stolz über diese Einrichtung in ihrer Nähe.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1175
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