SWR4 Abendgedanken RP

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Sie sind schon so alt - etwa 500 Jahre - und bewegen trotzdem viele Menschen: „die Gesichter der Renaissance." Genau so heißt die Portrait-Ausstellung im Berliner Bode-Museum, die noch bis zum 20. November zu sehen ist. Ein echter Publikumsmagnet. Und ein Gesicht ist jetzt schon der Star der Ausstellung: das Bild von der Dame mit dem Hermelin, gemalt von Leonardo da Vinci. Sie wirkt sehr lebendig, so als würde sie gleich mit dem Betrachter anfangen zu sprechen. Genau das war das Neue an diesen Bildern; vorher hat man Gesichter eher flächig gemalt, fast maskenhaft, aber in der Renaissance wurden die Portraits fast lebendig. Die Gesichter spiegeln eine Persönlichkeit. Genau wie im echten Leben. Ich schaue gerne in Gesichter, vor allem, wenn sie offen sind, zugewandt, und Blicke erwidern. Und die Lachfältchen um die Augen, Zorn- oder Grübelfalten auf der Stirn erzählen Geschichten von einem gelebten Leben. Manches schöne Gesicht kann fad und oberflächlich wirken, aber ein Mensch mit Persönlichkeit strahlt das auch in seinem Gesicht aus. Wir Menschen sind alle Originale, und unser Gesicht spiegelt unsere Persönlichkeit und unsere Seele. Das ist Grund genug, nicht die kleinen Fehler, sondern die Stärken im eigenen Gesicht zu entdecken. Weil wir nach Gottes Ebenbild geformt sind. In der Bibel, im Psalm 139 heißt es: „Als ich geformt wurde im Dunkeln, kunstvoll gewirkt in den Tiefen der Erde, waren meine Glieder dir nicht verborgen." Jedes Gesicht ist kunstvoll gewirkt, egal ob mit Sommersprossen, Zahnlücken, Stirnfalten und großen auffälligen Nasen. Wenn alle gleich aussehen würden, wär's langweilig. Weil wir alle so verschieden sind, so originell, deshalb sind unsere Gesichter spannend. Ich glaube, Gott will keine Masken, sondern echte Gesichter.

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