SWR4 Abendgedanken RP

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„Wer die Hände voll hat, der kann nichts mehr aufnehmen." Was das bedeutet, hat mir meine dreijährige Tochter bei einem Ausflug gezeigt. Mit Eifer hat sie kleine Schätze am Wegrand gesammelt: Federn, Schneckenhäuser, eben alles, was kleine Kinder fasziniert. Als sie an einem Kletterbaum angekommen war, hat sie ihre Schätze in hohem Bogen weggeworfen. Sie wollte die Hände frei haben zum Klettern. Sie war so glücklich, dass sie ihre vorher mühsam gesammelten Schätze nicht vermisst hat. Ich habe bewundert, wie sehr sie im Augenblick gelebt hat. Erst war das Sammeln ganz wichtig und dann das Klettern. Alles zu seiner Zeit. Können Sie das? Können sie den Augenblick bewusst wahrzunehmen und genießen? Oder geht es ihnen wie mir? Meistens habe ich vor lauter Ansammeln die Hände so voll, dass schon gar nichts mehr Neues dazu kommen kann. Alte Zeitschriften, die sich bei mir stapeln, oder Kinderzeichnungen und gebastelte Tonfiguren. Und innerlich stöhne ich, wenn noch mehr Gebasteltes dazu kommt. Dann wünsche ich mir, ich könnte mich so frei machen, wie meine Tochter vor dem Kletterbaum. Die Erinnerungen behalten, aber den Ballast abwerfen.
„Sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Wurm sie zerstören und keine Diebe sie stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz." So steht es im Matthäusevangelium. Woran hängt mein Herz? An den Dingen oder eher an den schönen Momenten, die wir zusammen erlebt haben? Ich versuche immer wieder das rechte Maß zu finden: Einige wenige Stücke aufzuheben, die mir wirklich wertvoll sind und den restlichen Ballast abzuwerfen. Die Hände frei machen, damit ich den Augenblick genießen kann.   

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