SWR4 Abendgedanken BW

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Du bist nicht allein. In meiner Zeitung habe ich gelesen: Dies ist der zur Zeit wichtigste Satz. Der Satz hat eine doppelte Bedeutung. Auf der einen Seite leben viele Menschen so, als ob sie allein auf der Welt wären. Allein mit ihren Interessen und ihren Zielen, die sie für sich durchsetzen wollen. Kinder wachsen in Familien auf, allein, und alles dreht sich um sie. Darum bestimmen sie den Tageslauf der Eltern und Großeltern, und alle Planungen werden nach ihren Bedürfnissen ausgerichtet. Hier ist es - so stand es in der Zeitung - wichtig, dass Erwachsene und Kinder wieder stärker erkennen, dass sie in soziale Gemeinschaften gehören, in denen einer auf den anderen Rücksicht nimmt. Du bist nicht allein. Der Satz erinnert daran, dass andere die gleichen Rechte und Freiheiten haben wie ich und sie auch ausleben und gestalten wollen. Nur so kann eine Gemeinschaft gesund leben und stabil bleiben, wenn alle wissen: du bist nicht allein.
Aber noch in anderer Beziehung ist der Satz wichtig. Du bist nicht allein mit deinen Hoffnungen und Erwartungen, mit deiner Enttäuschung und mit deinem Schmerz. Sicher fühlt man sich immer wieder allein gelassen und einsam. Aber es gehört geradezu zu den Eckpfeilern des christlichen Glaubens und jeder Gemeinschaft, die sich auf diesen Glauben beruft, Menschen nicht allein zu lassen. Ich bin davon überzeugt, dass mich Gott nicht allein lässt, sondern mich begleitet durch die Höhen und Tiefen meines Alltags. Die Menschen um mich herum lassen mich das spüren. Und das gilt  auch für die, die sich einsam und allein fühlen.  Auch sie sollen spüren, dass jemand für sie da ist.  Vielleicht kann ja manchmal sogar ich das sein.
Schon ganz am Anfang unserer Bibel, in der Schöpfungserzählung, heißt es: es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei. Das ist eine Grunderfahrung: wir brauchen andere Menschen, wir brauchen solche, die uns zuhören, die uns begleiten, an die wir uns wenden können und die uns erfahren lassen: du bist nicht allein.
Davon lebe ich, dass ich die doppelte Richtung dieses Satzes nicht vergesse. Dass in meinem Beruf und bei meiner Arbeit, in meiner Familie und unter meinen Freunden das Zusammenleben nur gelingen kann, wenn ich Rücksicht auf andere nehme und sie nicht vergesse. Und dass ich in glücklichen und unglücklichen Tagen erfahre, dass andere mit mir gehen und mich begleiten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=10398
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