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Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Ein, zweimal während meiner Zeit als Gemeindepfarrerin haben mir Menschen anvertraut, dass sie sich etwas selbst nicht verzeihen konnten. Sie hatten jemandem weh getan. Jemandem, der ihnen wichtig war. Manchmal reicht eben schon ein falsches Wort. Oder Unaufmerksamkeit: wenn man dem anderen nicht richtig zugehört hat oder abgelenkt war, mit sich selbst beschäftigt… Manchmal reicht das, und man hat einen lieben Mitmenschen fürchterlich verletzt und gekränkt – und manchmal sind die Verletzungen nicht mehr zu heilen.
Ein, zweimal haben mir Menschen davon erzählt, wie sie sich eine Tat oder ein Wort in ihrem Leben nicht verzeihen konnten. Und mir steht noch deutlich vor Augen, wie schwer das Gefühl von Schuld auf ihrer Seele gelegen hat. Sie waren einfach nicht frei. Da war ein Schatten auf ihrer Seele. Und dieses Gefühl kenne ich selbst ja auch…
Mir selbst zu verzeihen, das ist viel schwerer als gedacht. Und der Versuch hat auch einen schalen Beigeschmack, finde ich. Denn es IST ja etwas passiert. Jemand hat Schaden genommen – meinetwegen. Umgekehrt genauso: Wenn ich es bin, die verletzt worden ist durch die Schuld eines anderen – dann kann ich das auch nicht ungeschehen machen. Es gibt Dinge, die kann ich einfach nicht verzeihen, selbst, wenn ich es will.
Schwamm drüber, vergessen wir’s … Mir selbst vergeben – anderen vergeben… Manchmal ist das einfach nicht möglich. Aber wohin dann mit der Schuld?
Ich spüre die Schatten auf meiner Seele – und mehr und mehr fühlen sich meine Gedanken an, wie ein Gebet: Wohin mit der Schuld? Zu Dir, Herr, Jesus? Zum Kreuz? Dahin werde ich mich jetzt auf den Weg machen. Ich bitte Dich, Herr: Nimm den Schatten von meiner Seele. Vergib mir meine Schuld, und gib mir die Kraft, damit auch ich anderen ihre Schuld vergeben kann.
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In diesen Tagen wird viel an das Ende des Zweiten Weltkriegs erinnert. Heute vor 80 Jahren – am 8. Mai 1945 – trat die bedingungslose Kapitulation der Deutschen Wehrmacht an allen Fronten in Kraft. Der Krieg in Europa war zu Ende.
Allerdings – je älter ich werde, habe ich den Eindruck: Er ist damals gar nicht zu Ende gegangen. Eigentlich bis heute nicht. Ja, die Kämpfe hatten damals ein Ende – aber zu sagen: Der Krieg hatte ein Ende – das klingt nach: Er war abgeschlossen, vorbei. Und danach kam dann was Neues.
Je älter ich werde, desto bewusster wird mir aber, wie stark der Krieg immer noch nachwirkt. Und wie sehr er auch mich bis heute prägt.
Ich bin die Tochter von Kriegskindern. Und was sie erlebt haben, das lebt in mir weiter: Die Angst meiner Mutter, verlassen zu werden. Denn heute vor 80 Jahren stand sie verlassen da: 10 Jahre alt, in einem Auffanglager für Flüchtlinge aus dem Osten – ohne Eltern. Dass sie sie nie wieder sehen würde, hat sie damals nur ahnen können. Und dass sie ein Stück weit ihr Leben lang heimatlos geblieben ist, ist ihr auch in den letzten Jahren erst so richtig bewusst geworden.
Was davon nehme ich mit in meiner Seele, frage ich mich: Dir Sorge, dass meine Mutter sich nie mehr heimatlos oder verlassen fühlen soll? Ein Stück weit hat sich wohl ein unterbewusstes Misstrauen auf mich übertragen – ein Misstrauen, dass meine Mutter haben musste, weil sie so oft auf sich selbst gestellt gewesen ist. Sicher trage ich ihren Zorn in mir weiter: über die Sinnlosigkeit jeden Krieges.
Und den will ich unbedingt weiter geben. Denn zum Glück ist hier der Krieg zu Ende. Aber abgeschlossen oder abgehakt ist er eben nicht. Kein Krieg ist jemals abgeschlossen, sondern wirkt weiter – ob wir es wollen oder nicht.
Vor 80 Jahren ist der Krieg in Europa zu Ende gegangen. Aber er ist nicht vorbei, sondern prägt mich, und seine Auswirkungen lasten auf mir, wie auf so viele andere auch. Eine Last, die aber auch die Chance in sich birgt, nie zu vergessen, wie kostbar der Frieden ist.
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Ich höre meine Mutter noch, wenn morgens beim Frühstück bei uns das Küchenradio lief. Immer, wenn es in den Nachrichten um Krieg oder einen bewaffneten Konflikt ging, dann sagte sie: „Schickt die Verantwortlichen in die Wüste – da können sie sich in Ruhe den Schädel einschlagen. Und die normale Bevölkerung hätte ihre Ruhe.“
Ich höre sie noch, wie sie das sagt. Und wenn ich an die Konflikte von heute denke; auch an die Handelskriege und den Streit um Zölle und ums liebe Geld, anderswo aber auch bei uns… Dann denke ich manchmal auch: Ja, schickt die Streithähne einfach in die Wüste – oder auf den Mond oder sonst wohin. Oder sperrt sie in ein Zimmer und lasst sie erst wieder raus, wenn sie sich geeinigt haben…
Und genau so etwas wird heute, am siebten Mai gemacht. Heute beginnt in Rom nämlich die Wahl des neuen Papstes, das sogenannte „Konklave“ Dafür versammeln sich alle katholischen Kardinäle, die wahlberechtigt sind, in der Sixtinischen Kapelle – und dann wird die Tür hinter ihnen zugemacht. Genau das bedeutet nämlich das Wort „Konklave“ übersetzt: Es bedeutet „Geschlossener Raum“. Da drin bleiben die Kardinäle, solange abgeschottet, bis sie sich auf einen Kandidaten als neuen Papst geeinigt haben.
Eine Regel, deren Wurzeln bis ins Mittelalter zurückreichen. Und trotzdem passen sie ganz ausgezeichnet in unsere Zeit, finde ich: Die Verantwortlichen können sich nicht aus dem Weg gehen und können sich auch nicht vor einer Entscheidung drücken oder sie auf dem Rücken Unbeteiligter aussitzen. Nichts soll aus dem Konklave nach draußen dringen, damit sich niemand öffentlichkeitswirksam in Szene setzen kann. Und Einflüsse von außen – wie Zeitungen, Fernsehen oder Handys sind auch nicht erlaubt.
Jetzt stellen Sie sich mal vor: Wenn man das bei allen wichtigen Entscheidungen machen könnte. Zum Beispiel die Verantwortlichen für einen Krieg in ein Zimmer einsperren und erst wieder rauslassen, wenn sie bereit sind, Frieden zu schließen.
Schickt sie am besten in die Wüste – da könne sie sich in Ruhe die Schädel einschlagen – hat meine Mutter früher gesagt. Aber so einfach ist es natürlich leider nicht. Und trotzdem finde ich, dass die Idee vom Konklave – dem geschlossenen Raum – etwas für sich hat. Wenn alle, die wichtige Entscheidungen zu treffen haben, sich auch mal ins stille Kämmerlein zurückziehen würden. Auf Augenhöhe anderen begegneten. Und sich nicht ablenken lassen würden – bis eine Entscheidung getroffen ist.
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Vor kurzem habe ich mich mit einer Frau unterhalten, die sich ehrenamtlich im Tafelladen engagiert. Und sie hat mir etwas Erstaunliches erzählt.: „Manche, die bei uns anfragen, ob sie helfen können, stellen sich das einfach völlig falsch vor“, meinte sie. „Die denken, weil sie so großzügig ihre Freizeit opfern, müssten unsere Kunden ständig dankbar sein und ein bisschen zu ihnen aufsehen - weil sie ja so sozial sind. Aber das ist wirklich das Letzte, was unsere Kunden gebrauchen können.“
Als ich das gehört habe, musste ich denken: Es ist bewundernswert, wenn Menschen sich ehrenamtlich engagieren. Bewundernswert– und trotzdem völlig wertlos, wenn eine Sache dabei fehlt: Liebe. Das behauptet genauso der Apostel Paulus in der Bibel. In einem seiner Briefe an die Gemeinde in Korinth schreibt er sinngemäß: Egal was irgendjemand leistet – ob die Person viel Geld für gute Zwecke spendet, gut auftreten kann, ein vorbildlicher Christ ist… Das alles ist nichts. Einfach nichts, wenn es nicht mit Liebe geschieht.
Ganz schön provokant, der alte Paulus. Sogar, wenn es scheinbar wirklich nur um die gute Sache geht. Soll ich zum Beispiel Geld spenden für Menschen, die Hilfe brauchen? Ja, natürlich – aber ich muss mich von Paulus fragen lassen: Tue ich das wirklich, weil ich helfen will? Oder vielleicht doch auch, weil ich insgeheim dafür bewundert werden möchte oder mir wenigstens selbst auf die Schulter klopfen kann? Frei nach dem Motto: „Was bin ich doch großzügig!“
Das ist doch egal – könnte man natürlich einwenden: Hauptsache, es kommt Geld zusammen für einen guten Zweck. Aber der Apostel bleibt dabei: Persönliche Eitelkeit lässt er nicht gelten.
Und in seinem Brief schreibt Paulus:
4 Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, 5 sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, 6 sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; 7 sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. (…)13 Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.
(1 Kor 13, 4-7+13)
Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Manchmal muss ich gar nicht fragen, wie’s meinem Gegenüber so geht. Manchmal steht das den Menschen einfach ins Gesicht geschrieben: mit Sorgenfalten auf der Stirn. Oder wenn da ständig so ein - leises Lächeln um die Mundwinkel spielt – frisch verliebt, würde ich dann sagen.
Aber - haben Sie schon einmal in das Gesicht von jemandem geschaut, der absolut entschlossen sein Ziel verfolgt? Ich finde, so einen Blick sieht man selten: Zweifel sind darin kaum zu lesen, und auch Angst spielt keine Rolle. Eigentlich beneidenswert, wenn jemand so klar weiß, was er will und was gerade dran ist. Und trotzdem bekomme ich fast Angst, wenn ich in ein Gesicht so voller Entschlossenheit blicke.
Angst haben die Menschen auch vor Mose bekommen, als sie ihm ins Gesicht gesehen haben. Eine Geschichte aus der Bibel erzählt davon. Der Prophet Mose hatte von Gott persönliche Anweisungen bekommen: Dass er das Volk der Israeliten in eine neue Heimat führen soll. Welche Regeln gelten sollen unter den Menschen. Wie ihr Leben aussehen soll. Glasklar weiß Mose, was Gott von ihm will. Und sein Gesicht fängt an, furchteinflößend zu glänzen. Die Bibel erzählt, dass er es mit einem Tuch vor den anderen verhüllen muss.
Wenn ich diese dieser Geschichte lese, frage ich mich: Macht eine entschlossene Haltung Angst? Auch heute noch? Wenn man mir schon am Gesicht ablesen kann, wofür ich stehe – schreckt das andere dann ab? Ich halte mich nicht für Mose und spreche gewiss nicht in Gottes Namen so wie er. Aber als Christin sollte ich doch eigentlich den Mut haben, zu zeigen, was sich denke oder fühle.
Und meistens ist das ja auch eine wilde Mischung: Ich will entschlossen für meine Meinung eintreten, bin aber meistens auch unsicher, ob ich nicht doch irgendwo falsch liege – gut, dass es so ist. Oft genug graben trübe Gedanken Sorgenfalten in meine Stirn. Und im nächsten Moment bringt mich etwas zum Lachen, lässt mich aufatmen. Oder ich sehe meinem Gegenüber an seinem Gesicht an, wie’s ihm gerade geht. Und reden zusammen. Gut, dass wir einander ansehen können, wie’s uns gerade geht.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=42087SWR1 Anstöße sonn- und feiertags
Warum ist Jesus für uns Christen immer noch so wichtig – auch nach fast 2000 Jahren? Wir leben doch heute. Was ist so faszinierend an ihm, dass viele Menschen auch heute ihr ganzes Leben nach ihm ausrichten?
Wenn man Jesus selbst fragen könnte, würde er vielleicht mit diesem Bild aus der Bibel antworten. Da vergleicht er sich selbst mit einem guten Schafhirten. Eine gute Idee von ihm, finde ich: einfach weil man ganz – damals wie heute – ganz leicht verstehen kann, was ein Schafhirte so macht, und was einen guten von einem schlechten Hirten unterscheidet:
Ein guter gibt den Schafen die Richtung vor, hält sie zusammen, sorgt dafür, dass auch die schwächeren gut mitkommen. Und er schützt die Herde – beschützt sie vor allen Gefahren, gegen die sie sich selbst nicht wehren kann. Ein guter Hirte schützt jedes einzelne Schaf sogar vor dessen eigener Blödheit! Wenn zum Beispiel eins ausbüxt und sich selbst in Gefahr bringt. Dann wird er es suchen – und zwar so lange, wie es eben dauert. So lange, bis es wieder bei der Herde und in Sicherheit ist. Ein guter Hirte versorgt seine Herde: weidet sie auf einer grünen Aue und führet sie zum frischen Wasser.
Auch deshalb ein guter Vergleich, den Jesus da macht – weil zu biblischen Zeiten jedes Kind dieses alte Gebet gekannt hat, Psalm 23, in dem es genau so heißt: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser… Ich selbst kenne diesen Psalm auch schon seit meiner Kindheit. Und ich stelle mir gerne vor, dass auch Jesus ihn schon als Kind gelernt hat – gebetet hat – Vertrauen entwickelt hat.
Vertrauen - Ich denke, darum ist Jesus bis heute DIE Leitfigur im Leben so vieler Menschen – weil er es vermag, Vertrauen zu schenken. Vertrauen in Gott. Vertrauen, dass Jesus selbst das Leben der seinen begleitet – wie ein guter Hirte seine Herde begleitet. Dass das eigene Leben nicht ziellos verläuft, sondern geführt. Nicht scheitern kann, sondern getragen bleibt in der Liebe Gottes.
Ich denke, es sind so viele, die sich bis heute an Jesus halten, weil er es vermag, Vertrauen zu schenken für jeden Schritt durchs Leben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=42086SWR1 Begegnungen

Barbara Wurz trifft Georg Zimmer
Teil I
Wenn ich mit dem Auto auf der A96 unterwegs bin, dann mache ich gerne Halt an der Raststätte „Winterberg“, um die Autobahnkapelle zu besuchen. Vom Parkplatz aus muss ich noch ein ziemlich steiles Stück den Berg hinauf. Aber es lohnt sich, denn oben angekommen erwartet mich nicht nur der weiß leuchtende Rundbau der Galluskapelle, sondern auch ein grandioser Ausblick: über Leutkirch und das Schwäbische Allgäu hinüber zu den Schweizer und österreichischen Alpen. Und mich dieses Mal mein Gesprächspartner, Georg Zimmer. Der hat vor etwas mehr als 25 Jahren den Bau der Kapelle initiiert. Er erzählt mir, wer die Menschen sind, die zur Galluskapelle kommen:
Das sind hauptsächlich Durchreisende, die auf dem Weg nach Süden vor allen Dingen hier Halt machen. Auf den Winterberg auf 750 Meter Höhe steigen und hier auch unter anderem die Aussicht auf die Berge genießen. Die andere Gruppe kommt aus der näheren Umgebung. Die Kapelle hat also zwei Funktionen einmal Autobahnkirche und zum anderen aber auch eine ökumenische Einrichtung in unserer Region.
Das weckt meine Neugier: Die Autobahnkapelle hat ihre Wurzeln also in der christlichen Ökumene. Georg Zimmer erzählt: Ihre Ursprünge reichen zurück bis in seine Schulzeit, als er nach dem Krieg mit seiner katholischen Familie ins evangelische Leutkirch gezogen war.
also 1950, als ich eingeschult wurde, gab es in der Grundschule in Leutkirch noch getrennte Klassen, getrennte Lehrer. (…) Das Gesangbuch hat entschieden, in welche Klasse man kommt. (...)Es gab sogar getrennte Treppenzugänge nach oben.
Und daran hatte sich kaum etwas geändert, als Georg Zimmer Ende der 70er Jahre als Stadtbaumeister nach Leutkirch zurückgekommen ist.
Ich habe dann im katholischen Kirchengemeinde, an dem ich seinerzeit angehörte, einen ökumenischen Ausschuss gegründet, weil es mir einfach ein Anliegen war, dass man hier mit dem Gesangbuch, mit dem „Gläubel“, wie wir sagen, einmal Schluss machen muss in Bezug auf die Beziehungen. (…) Aber zum Jahr 2000 hat es sich angeboten, dass wir mal etwas Richtiges miteinander machen, ein Projekt realisieren.
Und für das Projekt „Galluskapelle“ des ökumenischen Arbeitskreises war es ein Segen, dass Georg Zimmer nicht nur Architekt sondern auch beigeordneter Bürgermeister für den Bereich Bauen und Kultur in Leutkirch gewesen ist. Entstanden ist so ein einladender, heller Rundbau, der bis zu 25 Veranstaltungen jährlich beherbergt: Ausstellungen, Gottesdienste und ganz besonders hervorzuheben: Konzerte und Musik.
Also in der Kapelle kann man wunderschön singen. Wir empfehlen den Leuten immer, sich in der Mitte auf den kreisförmigen Oliven Holz Kreis zu legen und den Himmel anzusingen. (…) Also beispielsweise gibt es einen Ziehharmonika Spiele, der immer wieder kommt und hier oben Musik macht.
Was sind das für Menschen, die hier Halt machen?
Zum Beispiel hat sich gestern eine Gruppe von Pfadfindern aus Polen angemeldet, die hier auf der Reise morgens eine Messe feiern wollen. Wir haben aber auch Besucher, die beruflich unterwegs sind und die immer wieder die Gallus Kapelle besuchen, den Berg besteigen und somit ein bisschen sich vom Alltags Trubel ablenken lassen.
Es war wohl immer schon so, meint Georg Zimmer: wer einen Berg besteigt, der ist etwas befreit ist von seiner Last. Davon erzählen auch die Einträge der Besucher ins „Anliegen-Buch“, das in der Kapelle ausliegt.
Ich habe mal (…) das Anliegenbuch 2022 ausgewertet und das war ganz interessant, dass Menschen hier schreiben: Danke Gott für diesen wunderschönen Ort der Ruhe und Besinnung und all denen, die geholfen haben und jetzt immer noch helfen, dies zu ermöglichen. (…) Wir sind eben hier an einem Punkt, der vielleicht dem Himmel etwas näher ist, könnte man sagen, wenn man auf 750 Meter ist und den Ballast des Alltags unten liegen lassen kann.
Georg Zimmer ist schon lange in Rente, aber er ist bis heute Vorsitzender des Fördervereins Galluskapelle. Ihren Namen hat sie vom Heiligen Gallus, einem der drei Allgäu-Heiligen. Ihre runde Form und ihre schlichte und gleichzeitig einladende Ausstattung verdankt sie nicht zuletzt Georg Zimmer. Bis heute ist er maßgeblich dafür verantwortlich, dass hier ein Ort ist, der den Menschen auf Reisen einfach guttut. Auch solchen, die sonst wenig mit Kirche am Hut haben/Bezug haben zur Kirche
Also man sieht, es sind viele Menschen, die hier hochkommen, die vielleicht nicht unbedingt jeden Sonntag in die Kirche gehen, (...) die aber hier oben offensichtlich ein Bedürfnis haben, (…) an diesen neutralen Ort in diesem ökumenischen Ort zur Ruhe zu kommen.
Kommenden Samstag können sich Radfahrerinnen und Radfahrer um 14.30 Uhr an der Kapelle segnen lassen. Und am 13. Juli feiert die Gallus-Kapelle dann ihr 25-jähriges Bestehen. 25 Jahre die zeigen, dass sich das ökumenische Engagement gelohnt hat. Zum Schluss deshalb noch ein Zitat aus dem Anliegen-Buch. Denn es bringt auf den Punkt, was diesen Ort so lebendig macht:
Herzensdank an alle Menschen, die ihr diesen Ort geschaffen und gestaltet habt. Der Geist der Verbundenheit ist hier lebendig, jenseits von Nationalität, Gruppenzugehörigkeit, Religion. Uns alle verbindet weit mehr, als uns trennt.
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SWR1 Begegnungen

Barbara Wurz trifft Martin Wendte
Teil I
Mit der einen Hälfte seines Dienstauftrags ist er „ganz normaler“ Gemeindepfarrer an der Ludwigsburger Friedenskirche. Mit der anderen arbeitet er hier als Citykirchenpfarrer – eine Aufgabe, die über die normalen Grenzen einer Ortskirchengemeinde hinausreichen. Für Martin Wendte ist Citykirche ausdrücklich dafür gemacht…
Die City Kirche ist ausdrücklich dafür gemacht, dass wir experimentell sind, dass wir rausgehen, neue Formate versuchen, dass wir Sachen probieren, Fehler freundlich sind, auch wieder lassen. Das machen wir im Gemeindepfarrer auch so, aber die City Kirche hat das noch mal in zugespitzter Form als einen Auftrag.
Überregional am bekanntesten sind wohl die Nachteulengottesdienste - jeden dritten Sonntag im Monat - mit professioneller Band und Predigerinnen und Predigerinnen aus ganz Deutschland. Martin Wendte geht in Ludwigsburg aber auch gerne Kaffee trinken – wie er es nennt - um Kontakte zu knüpfen und Kooperationen, zum Beispiel mit der Volkshochschule oder anderen Institutionen vor Ort.
Dann bin ich Veranstalter für ganz viele Veranstaltungen, Konzerte, Abende mit Anselm Grün, mit Paul Potts, dem Gewinner von Deutschland sucht den Superstar auf Englisch. Das heißt dann bring uns Gott Talent mit für Frieder Berlioz, der Händels Messias mit uns macht, also ganz breites Publikum. Und das will ich auch erreichen, (dass auch die Idee dabei wir haben einen Schwerpunkt auf Jazz und auf Gospel, aber die Breite von dem Ganzen, das ist das, was mich fasziniert)
Martin Wendte will möglichst vielfältige Zugangsmöglichkeiten zu Kirche anbieten, immer offen und mit einem Blick für die unterschiedlichen Interessen und Fragen der Menschen. Genauso wichtig ist ihm dabei: an den Themen der Zeit dran zu bleiben. Und da führt im Jahr 2025 – 80 Jahre nach Ende des zweiten Weltkriegs – kein Weg an Dietrich Bonhoeffer vorbei. Am 9. April 1945 wurde der Widerstandkämpfer im KZ Flossenbürg ermordet. Bonhoeffer bleibt aber auch als evangelischer Theologe und Pfarrer bis heute aktuell. Besonders mit seinen Fragen an die Kirche:
Wie müssen wir eigentlich heute Kirche sein, (...) eine Gemeinschaft mit einem besonderen Charakter, wo sichtbar wird und es auch eine Wirkung hat, dass wir wirklich Christinnen und Christen sind? Also Bonhoeffer, der seinen Text geschrieben, der ist Nachfolge, er hat die Bergpredigt ausgelegt. Was heißt das eigentlich Nachfolge heute für uns als Kirche, nicht nur für uns als Einzelne, gerade von uns als Gemeinschaft?
Martin Wendte ist gemeinsam mit den Mitgliedern seines offenen Gesprächskreises „Reden über Gott und die Welt“ auf weitere Parallelen zu Bonhoeffer gestoßen: so zum Beispiel beim russischen Widerstandskämpfer Alexeij Navalni.
Ein Thema des Kreises in diesem Jahr: Dietrich Bonhoeffer, der vor 80 Jahren vom Nazi Regime ermordet wurde. War er ein „Held des Christentums“? Und gibt es noch andere christliche Helden?
Oder wir haben uns dann Helden des Christentums angeguckt, den Nawalny, diesen fantastischen Oppositionspolitiker, den Putin, der ja dann von Putin ermordet worden ist letztes Jahr. Der war von der Bergpredigt inspiriert. Es gibt wunderbare Texte von ihm, wo er sagt, wie wichtig ihm die Bergpredigt war.
Jesus sagt in der Bergpredigt der Bibel Sätze wie: „Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ Er sagt aber auch: „Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden“ oder „Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen“ Was heißt für die Kirche zur Zeit Bonhoeffers? Für die Kirchen heute? Ihr Selbstverständnis und ihren Zusammenhalt? Bonhoeffer würde es vielleicht so sagen:
Ihr seid hingestellt von Gott an bestimmten Ort und nimmt das ernst, macht das auf dieser Welt, so gut es irgendwie geht.(...) Und dann soll man aber auch an diesem Ort Verantwortung übernehmen, wie Bonhoeffer das sagt. (...) Also ich soll auch antworten auf das Worauf, wo ich herausgefordert werde, herausgefordert, und zwar von Jesus Christus, der sagt Guck mal auf deinen Beruf, auf deine Rolle, auf deinen Job, und zwar so Guckt da so drauf, dass du die Dinge auch noch mal in Frage stellst.
Eines findet man bei Bonhoeffer nicht, meint Martin Wendte:
Eine klare Antwort auf diese Frage. Denn für den ist klar, dass die Bibel keine Sammlung von konkreten und feststehenden Anweisungen ist. An Bonhoeffer lässt sich vielmehr ablesen, dass Christsein eine Lebenshaltung ist.
Das ist eine Haltung, da ist ein Unruh Motor drin, der sagt der lebendige Gott bringt dich immer noch mal neu ins Grübeln,(...) , in eine in eine hoffnungsvolle Unruhe. (...) Und das ist, glaube ich, von der Grundhaltung, dass, was Bonhoeffer eigentlich sagen will, an jedem Punkt auch beim Widerstand erwarten. Welcher? An welchem Punkt muss man Widerstand machen? Er sagt er weiß nicht. Das kann man nicht generell sagen.
Christsein ist eine Lebenshaltung. Und zwar die Lebenshaltung von Menschen, die sich einander verbunden fühlen. Einer Gemeinschaft also. Für Martin Wendte eine wichtige Erkenntnis, wenn er sieht, wie Kirche sich gerade verändert. Und eine Haltung die wegweisend sein kann für die Herausforderungen, vor denen Kirche heute steht. Oder mit den Worten des Citykirchenpfarrers von Ludwisgsburg:
Transformieren wir uns eigentlich so wie jede andere Organisation auch? Und es geht nur darum, dass wir Ressourcen neu verteilen? Oder haben wir auch geistliche und theologische Debatten, die dazu führen, dass wir bestimmte Schwerpunkte setzen? (...) Die Welt ganz ernst nehmen und zugleich sich immer herausfordern zu lassen, sie zu überschreiten. (...) Ich glaube, dass wir davon, dass wir genau das brauchen. Ich mag es, wenn Menschen mich heraus dazu herausfordern, spannungsvoll zu denken und zu leben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=42009SWR1 3vor8
Von klein auf kenne ich das „Vater unser“ – das Gebet von Jesus für seine Anhänger. Es gehört zu jedem Gottesdienst dazu, und ich habe ich es schon oft gebetet, und – zugegeben - manchmal fast mechanisch.
Bis eines Tages mich jedes einzelne Wort getroffen hat – bis ins Mark. Mich gepackt und fast geschüttelt hat mit aller Wucht seiner Bedeutung.
„Vater unser im Himmel“ – Das war, als ich vor ein paar Jahren das Grab meiner Großtante Olga besucht habe. Es befindet sich in Dänemark. Vor 80 Jahren ist sie dort gestorben – auf der Flucht aus Ostpreußen, in einem Auffanglager kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs. Hals über Kopf hatte sie aufbrechen müssen und alles zurücklassen, was doch ein paar Stunden zuvor noch Heimat war: ihr Zuhause, ihre Familie. Ihre Kräfte reichten nur bis Dänemark. Dort liegt sie in einem Gräberfeld für Flüchtlinge, zusammen mit anderen Frauen, Kindern, Babys und ein paar Soldaten im Teenager-Alter.
An einem wunderschönen Spätsommertag stehe ich dort und fühle mich meiner Tante nahe, obwohl ich sie ja nie getroffen habe. Da beginnt in der benachbarten Kirche die Vater-Unser-Glocke anzuläuten. Gerade ist dort im Gottesdienst, und die Glocke zeigt, dass gerade das Vater-unser gebetet wird. Und ich fange an, mitzubeten: „Vater unser im Himmel – sei da, wenn hier auf Erden kein Vater und keine Mutter mehr trösten können...“
„Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme.“ Und ich denke: Und nicht das Reich irgendwelcher Despoten, die bereit sind, für ihren eigenen Ruhm andere zu vertreiben, zu töten. Nicht deren Wille - nein – DEIN Wille geschehe.
„Herr, gib uns unser tägliches Brot“ unser tägliches Auskommen. Um mehr zu bitten, ist nicht nötig – nicht wichtig. „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“ – weil Vergebung wie ein Neuanfang ist. Und uns befreit von Rachegedanken und Vergeltung.
„Herr Gott – Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit.“ Zu diesem Reich gehöre ich. Und zu diesem Reich gehört meine Großtante. Sie und alle anderen, die jemals überwältigt worden sind von der Bosheit in dieser Welt. Ich schließe mit meinem Gebet: „Herr: dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit - in Ewigkeit Amen.“
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Morgen ist Palmsonntag – für Christen der Auftakt zur Karwoche: Also der Woche, die an die letzten Tage im Leben von Jesus vor fast 2000 Jahren erinnert. Und es war eine Woche des Wahnsinns, damals: voller Intrigen, Machtspielchen, Neid und Verrat. Angefangen hatte sie noch mit schier grenzenlosem Jubel: Jerusalem hatte Jesus einen wahrhaft königlichen Empfang bereitet. Am Ende aber – ist Jesus tot. Hingerichtet, am Kreuz, wie ein Schwerverbrecher.
Wie konnte es so weit kommen? Wer ist denn nun eigentlich schuld daran? Die, die neidisch waren auf seinen Erfolg und den unliebsamen Konkurrenten bei Nacht und Nebel haben verhaften und verschwinden lassen? Oder der römische Richter, der einem Todesurteil zugestimmt hat - nur, um keinen Ärger zu bekommen? Waren es also die Großen und Mächtigen von damals – oder doch auch die einfachen, kleinen Leute? Die, die Jesus am Anfang noch zugejubelt haben – die ihn dann aber auch ganz schnell wieder haben fallen lassen? Wer ist schuld? Irgendwie doch alle. Auf keinen Fall nur eine Gruppe für sich. Auf keinen Fall aber Jesus selbst. Er ist, der Einzige, der tatsächlich nichts dafür kann, nichts Falsches getan hat, keine eigenen Interessen verfolgt oder Menschen gegeneinander aufgehetzt hat. Er ist tot – an Ende einer Wahnsinnswoche.
Und morgen, an Palmsonntag– beginnt diese Wahnsinnswoche von neuem. Nicht einfach wegen der Erinnerung an damals. Sondern – ich denke – weil es den Wahnsinn von damals immer noch gibt. Und weil wir Menschen heute immer noch mittendrin stecken in diesem Wahnsinn. Wenn wir uns vor unserer Verantwortung drücken – oder uns lieber um uns selbst kümmern – oder uns einfach ohnmächtig fühlen. Palmsonntag und die Karwoche erinnern daran – und macht auch nachdenklich.
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