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SWR3 Worte
Der Heilige Geist hilft beten, sagt die Bibel. Aber Beten oder überhaupt an Gott zu glauben ist gar nicht so leicht, wenn man schwer krank ist. Und noch dazu erst 10 Jahre alt ist und seine Tage einsam im Krankenhaus verbringt. So wie der kleine Junge in dem Buch von Erik Emanuel Schmitt: Oskar und die Dame in Rosa. Und trotzdem gibt seine Freundin Oskar den Rat, mit Gott zu sprechen:
„… sorge dafür, dass es (Gott) gibt. (…) Jedesmal, wenn du an ihn glaubst, wird es ihn ein bisschen mehr geben. Und wenn du dranbleibst, wird er ganz und gar für dich da sein. Und er wird dir Gutes tun.“
Eric-Emmanuel Schmitt, Oskar und die Dame in Rosa
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Heute, an Pfingsten feiern wir Christen, dass Gottes Geist uns Kraft und Mut gibt– und zwar für unser Leben hier und jetzt. Und dass es mehr Mut braucht in der Welt, hat wohl auch der Autor und Dichter Max Frisch gedacht als er schrieb:
(…) Immer öfter wundert es mich, warum wir nicht einfach aufbrechen – wohin?
Es genügte, wenn man den Mut hätte, jene Art von Hoffnung abzuwerfen, die nur Aufschub bedeutet, (…) die verfängliche Hoffnung auf den Feierabend und das Wochenende, die lebenslängliche Hoffnung auf das nächste Mal, auf das Jenseits – es genügte, den Hunderttausend versklavter Seelen, die jetzt an ihren Pültchen hocken, diese Art von Hoffnung auszublasen: Groß wäre das Entsetzen, groß und wirklich die Verwandlung.
Max Frisch, Tagebuch 1946-1949
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37753SWR1 Begegnungen

Barbara Wurz trifft Philipp Geißler. Seit 2020 ist er Sportpfarrer der württembergischen evangelischen Landeskirche. Er leistet die Vernetzung zwischen Kirche und Sport im Land und ist Ansprechpartner für sportpolitische Themen und Sportverbände. Nur - was genau kann man sich darunter vorstellen? Einen Pfarrer auf dem Fußballplatz? Einen Seelsorger für die Seniorengymnastikgruppe oder gar einen Missionar unterwegs auf den Joggingstrecken des Landes? Pfarrerin Barbara Wurz hat den begeisterten Sportkletterer gefragt, warum die Kirche einen Pfarrer extra für Sport tatsächlich braucht.
Teil I
„Einen Sportbeauftragten der evangelischen Kirche in Württemberg? So was gibt’s?“ Ehrlich gesagt war das meine erste Reaktion als vor drei Jahren Pfarrer Philipp Geißler in dieses Amt gewählt wurde. Und ich hatte so meine Zweifel, ob er damit Erfolg haben würde. Die großen Sportverbände des Landes für Kirche und Glaube interessieren? Ob er da auf offene Ohren stoßen würde - heutzutage, wo die Bedeutung der Kirche angeblich immer mehr schwindet?
Schönerweise hab ich von Seiten vom Sport her bisher eigentlich nur Begeisterung erlebt. … Also der Sport hat sich diese Stelle gewünscht … weil der Sport tatsächlich eine Kontaktperson haben wollte in Blick auf die Kirche. (…) Also ich habe ein offenes Ohr und Begeisterung erlebt, weil die Menschen sich einfach unglaublich freuen, wenn man sich für das, was sie machen, interessiert. (37:54 - 38:44)
Philipp Geißler ist ein offener und interessierter Mensch - auch ich spüre das sofort. Ein paar Bedenken zu seinem Amt habe ich trotzdem noch. Ich bin gespannt ob er glaubhaft erklären kann, Ob er mir erklären kann, was Schwimmen und Joggen mit Glauben und Seelsorge zu tun haben.
Für mich persönlich, wenn ich zum Klettern geh‘, dann bin ich da in dem Moment ganz im Tun - und eben nicht in dem, was morgen ist, was übernächste Woche ist, was letzte Woche war, weil wenn ich hochklettern will und muss mich da festhalten, muss mich da anstrengen, dann kann ich nicht nebenher an X andere Sachen denken. (18:14 - 18:36)
Ja, auch Sport ist eine Form von Seelsorge, wenn er dabei hilft, den Menschen wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Der christliche Glaube ist gar nicht so leibfeindlich, wie man manchmal meint. Davon ist Philipp Geißler überzeugt.
Es geht wirklich da drum, dass es eine Balance gibt für den Menschen - von diesem geistlichen und diesem Körperlichen - und da ist Sport ganz arg wichtig. (17:46 - 17:54)
Was aber nicht heißt, dass der Theologe Geißler den Sport missionieren will. Er ist ein Netzwerker mit dem nötigen Respekt vor seinem Gegenüber. Und wenn man genau hinsieht, finden sich erstaunlich viele Berührungspunkte zwischen Glaubenshaltung und Sport. Besonders spannende Begegnungen und Gespräche hat Philipp Geisler eine Zeit lang in seinem Podcast „O Sport, Herr Pfarrer!“ festgehalten:
Ich hab‘ einen Pfarrkollegen, der gleichzeitig Leichtathletik-Trainer ist. Ich hab‘ einen Pastoren, der eine Kletterkirche aufgemacht hat. … Ich hab‘ mit einer Psychologin gesprochen, die sich so fürs Frauenbild im Sport interessiert.
Ein Pfarrer als Sportbeauftragten der evangelischen Kirche? Ja, das gibt’s - und der hat viel zu tun. Wie seine Aufgabe als Vorsitzender des Arbeitskreis‘ „Kirche und Sport“ aussieht, darüber unterhalte ich mich mit Philipp Geissler im zweiten Teil.
Teil II
Pfarrer Philipp Geißler ist Sportbeauftragter der evangelischen Kirche und damit auch Leiter Arbeitskreises Kirche und Sport. Beide großen Konfessionen, der Württembergische Landessportbund und das Kultusministerium arbeiten hier an gemeinsamen Themen wie Integration, Ehrenamt oder Jugendförderung. Aktuell auf der Tagesordnung steht die Frage, was es heißt, wenn sich ein Kind in seiner Sportart als echtes Talent entpuppt - vielleicht sogar Profi werden möchte? Können Sportverbände die Familien der Kinder unterstützen, wenn Zeitaufwand und Belastung steigen?
In diesen Vereinen sind die Trainer mit dem Trainieren der Kinder und Jugendlichen beschäftigt. Die haben nicht die Zeit, dann auch noch Elternarbeit zu leisten. Und gleichzeitig wäre es aber aus unserer Warte schön und sinnvoll, wenn es da zum Beispiel jemanden gäbe, der anbieten und sagen kann: Wenn dein Kind auf dem Sprung ist in eine sportliche Karriere und ihr da fragen habt, bieten wir einen Raum wo ihr euch sportartenübergreifend untereinander austauschen könnt.
Die Chancen stehen nicht schlecht, dass es einen solchen Ansprechpartner bald geben wird. Alle Ideen des Arbeitskreises lassen sich allerdings unmöglich weiter verfolgen. Pfarrer Geißlers Meinung nach finden sich gemeinsame Anliegen von Kirche und Sport sowieso im alltäglichen Leben. Einfach machen - ist seine Devise - gerade dann, wenn einem im eigenen Heimatort ein Problem vor die Füße fällt.
Ich bin hier im Asyl-Kreis, dann kam Corona, 100 Leute in der Asyl-Unterkunft, die schlicht nicht raus können. Und die ganzen Kinder, die keine Bewegung haben. Die kannst du nicht einfach in einen Sportverein da in so ne Fußballgruppe stecken….Und dann war nur die Überlegung zu sagen: Hey, wenn man zu fünft draußen Sport machen darf unter Corona - könnten das nicht Leute aus der Kirchengemeinde unterm Dächle vom Sportverein machen? (34:46 - 35:10)
Glaube und Sport passen gut zusammen. Und immer mehr Menschen leben das - wie ein Mann, dem Philipp Geißler in der Kletterhalle begegnet ist und erzählt hat, dass er sonntags entweder zum Klettern in die Berge geht - oder zum Gottesdienst in die Kirche. Kirche und Sport haben eine gemeinsame Zukunft. Beide tun sicher gut daran, sich nicht aus den Augen zu verlieren:
Und wir erwarten, so als Kirche, dass man sonntags in den Gottesdienst kommt - kann man erwarten. Und vielleicht ist es dann auch schön, wenn ihr euch an den Rand vom heimischen Fußballfeld stellt. Und euch auch für das interessiert, wofür sich die Menschen interessieren.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37705SWR1 3vor8
Das nenne ich mal eine glasklare Aufforderung: Betet. Oder auf Latein: Rogate. So heißt im christlichen Kalender der heutige Sonntag: Rogate: Betet! Aber – warum soll ich das machen? Ehrlich gesagt, frage ich mich das manchmal. Warum soll ich beten? Wofür? Und: Nutz das irgendjemandem…
Also gut - wenn mich der Sonntag heute schon so unmissverständlich dazu aufruft. Wofür soll ich beten? Klar: für Frieden, Gerechtigkeit, die Bewahrung der Schöpfung… Allerdings – wenn Gott allmächtig ist, dann weiß er das alles doch sowieso schon. Gott braucht doch keine Tipps und Hinweise von mir, um mitzubekommen, wo es gerade hakt, oder wer gerade seinen Beistand braucht.
Immer wieder frage ich mich deshalb: Warum beten? Und warum fordert dieser allwissende Gott mich trotzdem glasklar dazu auf? – So ist es jedenfalls im biblischen Zeugnis zu lesen. Gott braucht mein Gebet nicht. Es ist jedenfalls nichts, womit ich ihm einen Gefallen tue. Auch keine Pflichterfüllung– als wäre Beten eine Art Hausaufgabe für mich, die ich gefälligst zu erledigen habe.
Warum also beten – und wofür? Für mich selbst? Für andere? Für die Nöte der Welt, und für alle Menschen, die es schwer haben? Ja… Ja! Aber nicht als Leistung oder Pflichterfüllung. So etwas braucht Gott nicht. Aber anscheinend braucht er trotzdem mein Gebet – genauer: MEIN Gebet.
Gott fordert mich auf: Bete! Bitte mich! Rede mit mir, und bleib nicht allein mit Deinen Gedanken. Erzähle, was dich beschäftigt, sprich es aus. Und sprich für die, die das gerade selbst nicht können. Menschen, die in Not sind, tut es gut, zu wissen, dass da jemand ist und für sie betet – der an sie denkt und sie Gott anbefiehlt. Sprich Du - mit mir – über Dich – und über die Menschen um dich herum, und über das, was passiert um dich herum. Bete, bitte mich – und nimm Dir Zeit. Bring das Rad der Eile und des Alltags für die Dauer Deines Gebetes zum Stehen. Und vergiss auch die Verstorbenen nicht. Bring sie – bring alle vor Gott. Gott ist die Liebe – sagt die Bibel – eine erstaunliche Kraft: sanft und mächtig zugleich. Sie bekämpft niemanden und gewinnt doch immer: Denn sie verbindet – Menschen mit Menschen und mit Gott.
Rogate, Betet. Eigentlich ist das gar keine Aufforderung – eher eine ganz persönliche Einladung an jeden von uns: Bete – denke daran, dass Du nicht allein bist. Gott ist da – und auch die Menschen, die vielleicht gerade für Dich – beten.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37658SWR4 Sonntagsgedanken
König Saul, den ersten Herrscher von Israel, hatte sein Charisma verlassen – so erzählt es die Bibel im Alten Testament. Noch zu Beginn seiner Herrschaft hatte er ein Händchen gehabt für Politik, war ein geschickter Taktiker gewesen im Kräftespiel der Macht, damals, vor über 3000 Jahren: von Gott gesegnet hat er die richtigen Entscheidungen getroffen. Aber einmal auch die falsche – und ab da war es vorbei mit dem Segen.
Von König Saul ist heute in vielen evangelischen Gottesdiensten zu hören, und von den Folgen, die das für ihn gehabt hat: Saul wurde krank, seelisch krank, jähzornig und auch schwermütig. Saul hat Depressionen – die biblische Erzählung nennt es einen bösen Geist. Und dieser Geist macht ihn unberechenbar für seine Umgebung, seinen Hofstaat und die Regierung. Was also tun? Sauls Depressionen waren gefährlich fürs Land und seine Politik. Wie dem König helfen?
Musik vielleicht, dachten seine Knechte. Und sie schlagen dem König vor, einen Harfenspieler an den Hof zu holen. Jemand, der den bösen Geist der Schwermut mit Klängen für die Seele verjagen kann. Und es findet tatsächlich einer: ein junger, stattlicher Mann namens David. Gottes Geist ist mit ihm, so erzählt es die Bibel, und er gewinnt das Herz und das Vertrauen seines Königs. Aber das Kostbarste für den König ist sein Harfenspiel. Musik für die Seele, die die bösen Geister verjagt – Musik, die inneren Frieden schenkt.
Es ist eine wunderbare Geschichte, finde ich: eingebettet in Erzählungen über Politik und militärische Stärke erzählt sie von einer Macht der ganz anderen Art: von der Musik, von Harfenklängen und Gesang. Sie bringt dem König Frieden für die Seele, macht seinen Geist freier und seine Entscheidungen weiser. Musik, Schönheit, Kunst und Kultur haben eine ganz eigene Kraft und können viel bewirken.
Ich denke, diese Kraft wird heute oft unterschätzt. In Krisenzeiten scheinen andere Dinge eben wichtiger zu sein als ausgerechnet Musik. Nahrungsmittel zum Beispiel – natürlich sind die am wichtigsten für die, die eingeschlossen in einem Kriegsgebiet leben müssen oder in einem Flüchtlingslager gestrandet sind. Aber gerade hier machen die Menschen auch immer Musik, singen und tanzen gemeinsam – einfach um Mensch zu bleiben. Als es in Coronazeiten bei uns keine Konzerte mehr gegeben hat und auch kein Kirchenchor mehr proben konnte – da haben die Menschen alle möglichen Wege gesucht, um trotzdem gemeinsam Musik zu machen – und sei es auf dem eigenen Balkon oder über den Computer.
Und König Saul in der Bibel? Der steckt in einer schweren persönlichen Krise. Seine Regierungsarbeit bekommt er kaum noch in den Griff. Und alles scheint jetzt wichtiger zu sein als ausgerechnet Musik. Aber Musik ist es, die ihm hilft – die ihn geradezu rettet! Musik für die Seele, die die bösen Geister verjagt – Musik, die inneren Frieden schenkt.
Kriseninterventionsmittel Musik – Kunst, Schönheit und Kultur. Sie ist keine Nebensache, kein Luxus und nichts Überflüssiges. Sie bringt die Seele zum Klingen, hilft, sich selbst wiederzufinden und bringt Menschen einander näher. Und Singen ist dabei noch einmal etwas ganz besonderes: Denn beim Singen geht die Musik durch den ganzen Körper hindurch: Einatmen, den Kopf heben und dann sich trauen, die eigene Stimme hören lassen und sein innerstes zeigen.
Der Sonntag heute trägt den Namen „Kantate – Singet!“ Und ich spinne für mich die biblische Erzählung von König Saul weiter: und stelle mir vor, wie Saul vielleicht mitgesungen hat, gemeinsam mit David und seiner Harfe. Wie er tief eingeatmet hat, aufgeatmet hat. Und dann, die Lungen gefüllt mit Leben – losgesungen hat: Ein Loblied für Gott mit Musik für die Seele.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37620SWR1 3vor8
„Dem laufen gerade alle nach!“ So ist es sinngemäß über Jesus in der Bibel zu lesen. Ein frustrierter Seufzer von den Pharisäern und Schriftgelehrten, also von den richtig wichtigen Leuten in Jerusalem damals. Sie mussten zusehen, wie ihr „Konkurrent“ auf einem Esel nach Jerusalem geritten kam – und eine riesige Menschenmenge Jesus empfangen hat wie einen König.
Neulich bin ich in einer Kirche vor dem Alltagkreuz gestanden und habe an diese Geschichte aus der Bibel gedacht: Nicht mehr den mächtigen und reichen Leuten – nein – DIR sind alle nachgelaufen. Überall an den Straßen haben die Menschen mit Palmzweigen gewunken und ihre Kleider wie einen Teppich auf deinem Weg ausgebreitet und gerufen: „Hosianna! Hier kommt unser neuer König! Endlich kommt da einer, der alles in Ordnung bringen wird – in der Politik, bei den viel zu hohen Steuern und überhaupt... Alle unsere Wünsche werden endlich wahr!“ „Alle sind sie dir nachgelaufen“, habe ich gedacht. Und dann habe ich mich in der leeren Kirche umgedreht und fast lachen müssen: „Heute anscheinend nicht mehr.“
Ich war in die Kirche reingegangen, um dem Trubel in der Outlet-City von Metzingen zu entgehen. Die Stadt ist sogar international bekannt dafür, dass man billig einkaufen kann: bei Marken-Klamotten angefangen, über Schmuck, Geschirr bis hin zu Schokolade. Besonders Richtung Wochenende ist hier echt was los. Ich bin eindeutig nicht die Einzige, die gerne einem guten Schnäppchen nachläuft.
Wie gesagt und wie erwartet: In der Kirche war es ruhig und leer. Und ich habe mich wieder zum Altar und der Jesus-Figur am Kreuz umgedreht: „Dir SIND damals alle nachgelaufen – solange Du wie der verheißene König auf deinem Esel geritten bist. Aber als du ein paar Tage später am Kreuz gestorben bis… Wo waren dann all diese Menschen und der ganze Jubel? Kann ja sein, dass dir heute niemand mehr nachrennt – aber damals eigentlich doch auch nicht. Die meisten haben dich ganz schnell wieder vergessen als sie gemerkt haben, dass Du nicht einfach der Erfüller aller ihrer Wünsche bist. Du bietest keine billigen Schnäppchen.“
Während ich so über die Geschichte von Palmsonntag nachtgedacht habe, ist übrigens die Kirchentür einige Male auf und zu gegangen. Sind Menschen gekommen und gegangen – haben sich kurz gesetzt oder auch nicht – ein Kreuzzeichen gemacht oder etwas ins Gebete-Buch beim Eingang geschrieben. „Nein – billige Schnäppchen sind bei Dir nicht zu kriegen, mein Herr Jesus. Aber Du bist für uns da, wenn es wirklich wichtig ist. Du weißt, wo unser Leben weh tut.“
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37407Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Morgen ist Palmsonntag – für Christen der Auftakt zur Karwoche: Also der Woche, die an die letzten Tage im Leben von Jesus vor fast 2000 Jahren erinnert. Und es war eine Woche des Wahnsinns, damals: voller Intrigen, Machtspielchen, Neid und Verrat. Angefangen hatte sie noch mit schier grenzenlosem Jubel: die Jerusalem hatte Jesus einen wahrhaft königlichen Empfang bereitet. Am Ende aber – ist Jesus tot. Weil die einen neidisch waren auf seinen Erfolg. Weil andere von Jesus enttäuscht waren - von ihrem erhofften neuen König. Vor allem aber, weil Jesus sich mit den falschen Leuten angelegt hatte. Und die haben ihre Intrigen gegen ihn gesponnen, haben ihn heimlich – bei Nacht und Nebel verhaften und verschwinden lassen. Während die Verantwortlichen für Recht und Ordnung einfach weggesehen und ihre Hände in Unschuld gewaschen haben – als ginge sie das alles nichts an.
Am Ende ist Jesus tot – aber wer ist jetzt eigentlich schuld daran gewesen? Die neidischen Heimlichtuer, die Jesus haben verhaften lassen? Oder der römische Richter, der einem Todesurteil zugestimmt hat - nur, um keinen Ärger zu bekommen? Waren es also die Großen und Mächtigen von damals – oder doch auch die einfachen, kleinen Leute? Die, die Jesus am Anfang noch zugejubelt haben – die ihn dann aber auch ganz schnell wieder haben fallen lassen? Wer ist schuld? Irgendwie doch alle. Auf keinen Fall nur eine Gruppe für sich. Auf keinen Fall aber Jesus selbst. Er ist, der einzige, der tatsächlich nichts dafür kann, nichts Falsches getan hat, keine eigenen Interessen verfolgt oder Menschen gegeneinander aufgehetzt hat. Er ist tot – an Ende einer Wahnsinnswoche.
Und Morgen, an Palmsonntag– beginnt diese Wahnsinnswoche von neuem. Nicht einfach wegen der Erinnerung an damals. Sondern – ich denke – weil es den Wahnsinn von damals immer noch gibt. Und weil wir Menschen heute immer noch mitten drin stecken in diesem Wahnsinn. Wenn wir bei Unrecht einfach wegsehen. Oder uns irgendwie sonst um unsere Verantwortung drücken. Palmsonntag und die Karwoche erinnern daran – und vielleicht bringt das den einen oder die andere doch zum Nachdenken.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37375Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Die allermeisten Kirchengebäude sind nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet. Ist Ihnen das schon einmal aufgefallen? Fast immer zeigt der Chorraum, also der Bereich, in dem innen der Altar steht, nach Osten – und das aus gutem Grund. Denn im Osten geht die Sonne auf. Von da kommt das Licht und beginnt jeder neue Tag.
Ich liebe es einen Tag so zu beginnen: in einer Kirche mit großen und bunten Fenstern, die nach Osten zeigen – und ich bin eigentlich keine Frühaufsteherin. Aber wenn ein neuer Morgen die Fenster zum Leuchten bringt, und die ihre Farben über die Mauern und Wände tanzen lassen, dann ist das manchmal wie eine Erlösung für mich. Das Licht vertreibt ja nicht einfach nur die Nacht. Es vertreibt auch die trüben Gedanken, die mich abends und nachts manchmal plagen – bis hinein in meine Träume. Solche Nächte kennen viele – Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, vielleicht auch. Wie schön ist es dann, wenn es endlich hell wird, und wenn der neue Tag einen herausreißt aus der Gedankenmühle. Den Kopf heben nach der langen Nacht, durchatmen und in einen neuen, frischen Tag starten – in eine neue Zeit.
Wenn ein neuer Tag anbricht, dann ist das manchmal wie eine Erlösung – natürlich auch, wenn man morgens zu Hause ganz normal aufsteht und nicht gerade in einer Kirche ist. Aber jede Kirche erzählt davon. Wie es ist, wenn das Licht aus dem Osten Erlösung bringt von den Schrecken einer langen, dunklen Nacht.
Bald beginnt die Karwoche, also die Woche, die an die letzten Tage im Leben von Jesus vor fast 2000 Jahren erinnert. Es waren finstere Tage – für Jesus selbst und genauso für seine Freunde. Für die Männer und Frauen die ihn nach Jerusalem begleitet hatten. Sie haben miterlebt, wie Jesus angefeindet wurde. Wie sich die Stimmung immer weiter aufgeheizt hat und es immer gefährlicher wurde für sie. Eine Zeit wie ein Albtraum in der Nacht. Und der einfach nicht enden wollte. Am Ende ist Jesus tot. Und seine Freunde? Verlassen und verloren, wie in einem Albtraum und wie gefangen in einer Nacht, die einfach nicht enden will.
Aber dann ist doch ein neuer Morgen angebrochen, an Ostern, drei Tage später. Und er hat die Männer und Frauen um Jesus herum erlöst aus dem Albtraum der Nacht. Sie konnten aufatmen, den Kopf heben und sich aufmachen in einen neuen Tag und eine neue Zeit. Und davon erzählen die bunten Fenster der Kirchen bis heute. Jedes Mal, wenn ein neuer Tag sie zum Leuchten bringt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=37374Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW
Manchmal denke ich: Wir leben in hoffnungslosen Zeiten. Aber nicht, weil ich völlig mutlos wäre angesichts der Krisen unserer Zeit, sondern weil ich den Eindruck habe, dass von „Hoffnung“ eigentlich nirgends mehr die Rede ist. Zum Beispiel, wenn ich vor den unzähligen Postkarten mit Mut-Mach-Sprüche und Lebensweisheiten stehe, die in unserem Buchladen zu kaufen sind: „Sei ganz Du selbst und vertraue deiner eigenen Kraft“ habe ich sinngemäß auf einer gelesen. Oder auf Facebook oder Instagram. Da lese ich Posts wie: „Ein Vogel hat niemals Angst davor, dass der Ast unter ihm brechen könnte – nicht, weil er dem Ast vertraut, sondern den eigenen Flügeln.“ Das ist ein starkes Bild. Ein Spruch, der wirklich Mut macht, sich und der eigenen Kraft etwas zuzutrauen.
Daran ist auch nichts verkehrt – zumindest, solange mich die eigenen Flügel wirklich tragen. Aber was, wenn nicht? Wenn die Kraft nicht reicht und ich an meine Grenzen stoße? Wie vor einem halben Jahr zum Beispiel, als mir meine Cousine erzählt hat, dass sie an Krebs erkrankt ist. Oder wenn ich mit einer Freundin telefoniere und spüre, dass sie eben noch geweint hat – weil ihre Mutter allmählich dement wird – und ich kann meiner Freundin nicht helfen, sie nicht einmal trösten. Ich habe dann keine Kraft mehr – ich habe Angst.
Es passieren viele Dinge in der Welt, die mir Angst machen. Und Mut-Mach-Worte über Mut und meine eigene Kraft will ich dann – ehrlich gesagt – nicht hören. Was ich brauche, sind Worte der Hoffnung. Wie das, das Jesus seinen Anhängern mitgegeben hat, als er wusste, dass er bald sterben würde. „Sieh, in der Welt habt ihr Angst.“ hat er zu ihnen gesagt. „Aber seit getrost. Ich habe die Welt überwunden.“
Jesus hatte selbst große Angst. Er hat ja in der gleichen Welt gelebt, wie ich heute. Hat gewusst, dass in der Welt schreckliche Dinge geschehen, die wir mit all unserer Kraft nicht ändern können. Manchmal wünschte ich, er würde mir helfen, meine eigene Angst davor zu überwinden. Aber zumindest lässt er mich in meiner Angst nicht allein. Und er schenkt mir Hoffnung in meiner Angst vor dem Schweren in der Welt, wenn er sagt: „Ich habe die Welt überwunden.“
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Bald beginnt die Karwoche: Die Woche, die an die letzten Tage im Leben von Jesus vor fast 2000 Jahren erinnert. An seinen Tod am Kreuz und: an Ostern dann an seine Auferstehung von den Toten.
Auferstehung - von klein auf ist mir diese Vorstellung vertraut. Aber dieses Jahr steht sie mir verändert vor Augen. Denn vor kurzem ist mein Vater gestorben. Er ist fort, und ich vermisse ihn. Und - so kurz vor Ostern - beschäftigt mich die Frage, was das ist, die Auferstehung von den Toten. Und wie ich glauben soll, dass auch mein Vater mit Jesus auferstehen wird – und nicht einfach verschwunden ist, vergangen und verstummt.
Ich spüre deutlich, wie fremd und unaufgeklärt diese Vorstellungen klingen. Heute sagen viele: „Nach dem Tod kommt nichts.“ Sie sagen aber auch: „In unserer Erinnerung lebt der Verstorbene weiter.“ Die Hoffnung, dass nach dem Tod eines Menschen doch etwas bleibt und nicht einfach vergeht, scheint doch nicht ganz aus der Mode gekommen zu sein.
„In unseren Erinnerungen der Verstorbene weiter.“ Das habe ich auch als Pfarrerin bei Beerdigungen oft gehört: Von Leuten, die den Angehörigen die Hand geschüttelt und ihr Beileid ausgesprochen haben. Aber – von den Angehörigen selbst? Von denen, die mit dem Verstorbenen am engsten verbunden gewesen sind und die meisten Erinnerungen in sich tragen? Von denen nicht. Eine alte Frau am Grab ihrer Schwester zum Beispiel. Die hat leise vor sich hingemurmelt: Nun ist es vorbei…
„Es ist vorbei.“ Habe ich das nicht auch schon vor mich hingemurmelt am Grab meines Vaters? Und in solchen Momenten habe ich nicht das Gefühl, dass er in meinen Erinnerungen weiterlebt. Eher bin ich ein Stück weit mit ihm gestorben. Ist das gestorben, was wir gemeinsam erlebt und erinnert haben.
So murmle ich manchmal vor mich hin. So habe ich die alte Frau am Grab ihrer Schwester vor sich hinmurmeln hören – und so hat sich Maria von Magdala wahrscheinlich auch gefühlt, vor fast 2000 Jahren am Grab ihres engsten Vertrauten und Freundes, Jesus. Als alles vorbei schien und alle Hoffnung gestorben. Aber dann kam der Ostermorgen – der Tag der Auferstehung, voller Hoffnung. Und diese Hoffnung lebt – bis heute.
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