Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Froh zu sein bedarf es wenig,
und wer froh ist, ist ein König.
Kennen Sie diesen Kinderreim noch?

Mit meinen Konfirmanden habe ich diesen Reim einmal überraschend neu verstanden.
Wir hatten in einer Gruppe einen Jungen, der geistig schwach entwickelt war.
Schaffte es kaum, drei Sätze frei zu reden. Ich nenne ihn mal Willi. Die Eltern wollten Willi erst auch gar nicht zum Unterricht anmelden. Sie hatten Sorge, dass er die Gruppe beim lernen behindern würde, und dass die Gruppe Willi hänseln würde wegen seiner geistigen Schwäche.
Wo doch zum Unterricht auch auswendig lernen gehört. Und am Ende der Unterrichtszeit, beim Vorstellungsgottesdienst zur Konfirmation: Da muss doch jeder was zu einem Thema frei erzählen.
Das würde Willi nie schaffen, meinten die Eltern.

Ich überredete sie trotzdem, Willi zum Konfiunterricht anzumelden. Zu Beginn waren wir alle unsicher, verlegen. Wie geht man mit jemand um, der sich nichts merken kann? Und deswegen Angst hat, was zu sagen, sich lächerlich zu machen?

Das Eis wurde endgültig gebrochen, als einer aus der Gruppe mal spontan meinte: Ich kann ja für Willi was sagen-! Ich kenn' den schon länger. Es wurde eine richtige Patenschaft draus. Nicht nur zwischen diesen beiden.

Die spontane Reaktion brachte uns auf die Idee, das für die gesamte Gruppe weiter zu entwickeln:
Jeder sollte sich überlegen: Was kann ich gut -? Was kriege ich nicht so gut hin -?
Und dann wurden bei Aufgabenstellungen die Fähigkeiten ausgetauscht: Wer gut lesen konnte, hat beispielsweise eine Bibelgeschichte einem anderen vorgelesen, der leseschwach war. Der musste nur gut zu hören. Und die Geschichte dann wieder nacherzählen.

Die Behinderung von Willi war auf einmal kein Thema mehr für die Gruppe. Alle waren viel zu sehr beschäftigt sich ihre Stärken gegenseitig auszuleihen: Hey, kannste mir mal bei der Collage Adam und Eva malen? Ich kriege da nur Gekritzel  hin.......

Am Ende der Unterrichtszeit, - beim Vorstellungsgottesdienst -  sagte Willi als seinen Beitrag  auswendig das Vater Unser auf. Fehlerfrei. Echt stark, meinte einer aus der Gruppe. Fanden wir alle.
Und waren um eine wunderbare Erfahrung reicher.

Froh zu sein bedarf es wenig, wenn dein Nächster für dich da ist wie ein guter König.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8174
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