SWR2 Wort zum Tag

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Haben Tiere eine Seele? Der Philosoph René Descartes bezeichnete Tiere als seelenlose Automaten. Was das für den Umgang mit Tieren bedeutet, wird mir immer klarer. Eine verheerende Vorstellung ist das.

Und wie ist das mit Pflanzen und Bäume? Haben die irgendwelche Empfindungen - Regungen? Oder sind die bloße organische Materie? Ihre Blätter und Früchte bestenfalls Nahrungsmittel für Mensch und Tier. Ansonsten lediglich „Biomasse“: Rohstoff – Brennstoff – Baustoff.

In der Vorstellungswelt der Bibel sind Pflanzen auch manchmal beseelt und empfindungstauglich. Mehr noch: Sie jauchzen und sie klatschen sogar in die Hände – heißt es einmal beim Propheten Jesaja. (Jesaja 55,12) Auch Berge und Hügel. Alle Kreatur beklatscht Gott und sein Wirken. Da er Frieden bringt für alle Kreatur. Im Psalm 19 geht die Vorstellung sogar noch weiter: Alle Kreaturen - Gestirne, Himmel und Zeiten eingeschlossen - seien in einem andauernden Gespräch mit Gott – in einem für uns Menschen unhörbaren Logbesang.

Das ist schon sehr speziell. Und freilich gar nicht wissenschaftlich nachweisbar. Doch: Ich versuche mir das vorzustellen und dem nachzuspüren. Ich stelle mich vor einen großen Baum: Seinen Umfang kann ich mit meinen Armen nicht umfassen.
Was für ein Gigant, wie alt - und wie erhaben. Ich rieche seinen Duft – den säuerlichen der Buchen. Und wenn Wind aufkommt, angelehnt mit dem Rücken zum Stamm: Wie sich alles bewegt, von der Baumkrone bis zum Stamm am Boden.

Der Wind rauscht in Blättern und Ästen – für mich ist das ein wunderbarer Sound. Tannen schwingen mit ihren Ästen in langsamen Bewegungen –  ja, gerade so als würden sie klatschen. Ist das etwa das unhörbare Gotteslob der Bäume? Könnte sein. Ich weiß es nicht. Ich ahne es nur. Wo ich Bäumen so begegne – erlebe ich mich intensiv als ein Mitgeschöpf – verbunden mit allen anderen Kreaturen.

So verbunden, hoffe ich nur, dass ich durch meine Lebensweise Tieren und Pflanzen nicht das Fürchten lehre – sie nicht verdingliche als seelenlose Automaten - nicht ausquetsche und ihren Lebensraum beschneide. Kann sein, dass eine solche Sicht auch davor schützen kann: Wälder allein als Bauholz und Holzpellet-Ressource zu nutzen. Kann sein, dass so eine Artenvielfalt erhalten bliebe. Kann sein, dass dann das Gotteslob der Kreatur weiter unhörbar erklingt. Oder beklagt die Kreatur – auch unhörbar – die Zerstörung ihrer Lebenswelt?

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=28696
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