SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Leicht gehen mir die Worte Jesu, die ich heute im Gottesdienst aus der Bibel vorlesen werde, nicht über die Lippen. Das soll frohe Botschaft sein?

 

Können wir Jesus nur dann nachfolgen, wenn wir Kreuze zu tragen haben?  Haben wir nicht genug davon?  Ist nicht jedes Kreuz, das wir Menschen tragen müssen eines zu viel? Und Gott, den Jesus buchstäblich anhimmelt, hat er ihn am Kreuz nicht ins Unheil laufen lassen? 

Theologen kommen angesichts des Kreuzes bis heute in Erklärungsnöte und verirren sich in Formeln die niemand versteht. Wir kennen sie. All die hilflosen Erklärungsversuche, die man niemals glauben will und kann. Er musste sterben. Gott habe seinen Sohn hingegeben. Als Sühne für die Sünden der Menschheit. Gehorsam sei er. Er habe sich buchstäblich am Kreuz geopfert um uns zu erlösen. Ein sadistischer und brutaler Gott ist das, der seinen Liebsten buchstäblich ins Messer laufen lässt. Und ein ins Leid verliebter Jesus, dem man nur kreuztragend nachfolgen kann. Mein Glaube ist das nicht. 

Der Religionspädagoge Hubertus Halbfas fragte einmal kritisch was man in Gottes Namen alles machen könne und stellt fest:

Man kann im Namen Gottes Kriege führen, Menschen verdammen und töten und sagen, das sei Gottes Wille.

Man kann mit dem Ruf "Gott will es!" Angriffe als "Kreuzzüge" tarnen und auf Soldatenuniformen „Gott mit uns“ schreiben.

Das alles aber ist gott-los. Man kann mit Gott nichts "machen", weder ihn gebrauchen noch ausnutzen, denn Gott ist Liebe und daran hat nur Anteil, wer diese Liebe in sich selbst groß werden lässt.

So traurig es auch ist. Er hat Recht. 

„Im Zeichen des Kreuzes siege!“ Überlieferungen berichten, Kaiser Konstantin habe im 3. Jahrhundert in einer Vision diese Inschrift auf einem Kreuz am Himmel gesehen. Das war für ihn Zeichen genug siegreiche Schlachten im Namen Gottes gegen feindliche Truppen zu führen. Bis heute wird das Kreuz mit in den Kampf genommen.  Bis heute wird der Name Gottes missbraucht, um mit allen die anders, oder überhaupt nicht glauben kurzen Prozess zu machen. So wurde auch mit Jesus verfahren. Im Namen Gottes wurde er qualvoll und schändlich hingerichtet. Zur Abschreckung für Nachahmer und Andersgläubige. 

M   u   s   i   k 

„Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ 

Missverständlich kommt es daher. Das Wort Jesu, das in den Gottesdiensten heute vorgelesen wird. Viel Unheil hat es schon angerichtet. Wer Jesus nachfolgt, darf niemals aggressiv und gewalttätig gegen andere Menschen vorgehen. 

Das Wort vom Kreuz tragen meint aber auch nicht das, was der Philosoph Friedrich Nietzsche karikiert. Er fällt ein hartes Urteil über alle die sich Christen nennen. Sie würden krumm zu Kreuze kriechen. Das Kreuz sei ein Zeichen für Schwächlinge, Duckmäuser und Versager, die sich nichts trauen und alles erdulden. 

Da muss ich an das alte Ehepaar denken, das ich vor Tagen besuchte.  Der Mann geht an zwei Krücken. Nach einer schwierigen OP ist er gerade vom Krankenhaus zurückgekommen. Erschöpft und schwach ist er. Seine Frau ist dement und ohne ihn verloren. Ein neues Kreuz will er sich kaufen. Er hat klare Vorstellungen wie es auszusehen hat. Ich soll ihm bei der Auswahl und beim Kauf helfen. Als gäbe es bei den Zwei keine anderen Probleme. Doch im Gespräch mit ihm werde ich nachdenklich.

Ja die Zwei haben ihr Kreuz zu tragen. Davon weiß er zu erzählen. Und gerade deshalb wollen er und seine Frau auf Jesus schauen, der sich selbst dem Leid aussetzt und so den leidenden und erniedrigten Menschen und auch ihnen solidarisch nahe bleibt. Ihr gekreuzigter Gott leidet mit ihnen. Daran glauben sie ganz fest.  Keine Macht der Welt kann sie davon abbringen. 

Mitleiden ist Kern des Christentums. Einen Friedrich Nietzsche hat das bis zur Weißglut aufgeregt, dass das Christentum eine Religion des Mitleids ist. Für ihn zählt der Übermensch. In Kraft und Herrlichkeit schafft er sich selbst und braucht keinen Gott und schon gar kein Mitleid. 

„Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“  

Das Wort von der Kreuzesnachfolge bleibt unbequem. Dass Jesus am Kreuz gottverlassen stirbt ist das Unerhörte des Christentums. Das Kreuz ist  Gegenentwurf zu einer Welt, die vorgibt, keine Opfer zu kennen, sondern nur Sieger oder Versager. Ein Gott am Kreuz ist der schärfst mögliche Einspruch gegen die Vergötterung von Macht und Erfolg und ewiger Gesundheit. 

Das alte Ehepaar könnte ein Lied davon singen. Von all dem Schweren, das ihnen widerfahren ist. In einem langen Leben. Mit all   seinen Kriegs – und Krisenzeiten.

Ich werde dem Mann  bei der Suche nach einem Kreuz helfen. Denn für die zwei bedeutet es unendlich viel. Jesus bleibt nicht vor ihrer Tür stehen. Nimmt nicht Reißaus. Er bleibt ihnen nahe, wie damals bei den Kranken, den Blinden und Lahmen.   Er lässt sie nicht im Stich. Gott lässt sie nicht im Stich. Darauf vertrauen die Zwei. Sie folgen ihm nach. Mit ihrem Kreuz. Ganz treu. Schon ihr liebes langes Leben lang.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=27200
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