Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Letzten Samstag hab ich mal wieder den Gehweg gekehrt. Es war nötig. Papiere flogen rum, Splitt vom letzten Schnee lag noch da. Blätter im Rinnstein. Ich hab mir also einen Besen geschnappt und alles gefegt. Die Sonne schien, es war kalt, aber mit der Bewegung zusammen hat das sogar Spaß gemacht. Und nachher sah der Gehweg blitzeblank aus. Samt Rinnstein. Ein gutes Gefühl.
Wobei ich zugeben muss, dass ich das lange Zeit total spießig fand. Gehweg fegen. Am besten jeden Samstag. Und vorher mit dem Auto durch die Waschanlage. Man kann es auch übertreiben. So hab ich gedacht. Und also die Kehrwoche, das akkurate Abfegen von Hausflur, Rinnstein oder Gehweg boykottiert.
Heute sehe ich das anders. Warum? Vor allem weil ich Achtung vor allen habe, die vorübergehen. Das klingt vielleicht hochtrabend. Ist aber wirklich so gemeint. Mein sauberer Gehweg sagt: Du, der du da gehst, du bist mir viel wert. Du bist so viel wert, dass ich für dich den Weg fege. Dass ich sauber mache. Sicher, für einem roten Teppich reicht es nicht. Aber eben für ein kleines Zeichen der Achtung, für einen sauberen Weg. Es ist ja auch so, dass wir saubermachen, wenn wir Besuch bekommen. Dann putzen wir oft noch vorher das Waschbecken, das Klo, saugen im Flur, wischen den Tisch ab. All das zeigt unseren Gästen: Ihr seid uns willkommen. Ihr seid uns lieb und teuer. Und ehrlich gesagt freue ich mich selbst auch, wenn alles blinkt und glänzt. Genau das Gleiche ist es auch mit dem Gehweg. Früher hat man den Weg vor allem für Könige saubergemacht. Hat Blumen oder Kleider auf den Weg geworfen, dass der König nicht durch Dreck und Schlamm gehen muss. In den biblischen Texten findet sich davon ein Widerhall. Als Jesus einmal nach Jerusalem kommt, da werfen die Leute ihre Kleider vor ihm auf den Weg (Lukas 19,28-40). Sie machen klar: Dieser Mensch ist uns wichtig. Für uns ist er wie ein König. Daran denke ich beim Gehweg kehren - und wenn ich es einmal vergessen oder keine Lust habe; dass jedem Menschen Achtung zukommt. Dass vor Gott jeder ein König ist. Ein gefegter Gehweg kann davon erzählen.

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