SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

 - ein Adventslied aus Psalm 24
Zum Advent gehören die vertrauten Lieder aus alter und neuer Zeit. „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit". Der Text der ersten Strophe dieses Liedes ist eine Nachdichtung von Psalm 24: „Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, der König der Ehre zieht ein." Einladung und Aufforderung, sich aufzurichten, den Blick über den Augenblick hinaus zu weiten für das Neue, das Unerwartete, das Überraschende, ja das ‚Unmögliche'. Warum greifen viele, die beten und singen, bis heute zu den Psalmen? Was fasziniert sie an diesen Gedichten aus uralter Zeit? Die Psalmen sind Gebete von Menschen, einzelnen und vielen zusammen, die sich an Gott wenden, in den unterschiedlichsten Situationen und mit den widersprüchlichsten Beweggründen: Freude am Miteinander und Einsamkeit; Gesundheit und Krankheit, Lebenslust und Überdruss, Zuversicht und auch eine tief sitzende Skepsis in Bezug auf alles. Und immer wieder das Leiden am Bösen in der Welt. Die Anständigen sind die Dummen; die Skrupellosen setzen sich durch und haben Erfolg. Wie ist das mit der Vorstellung von Gott zu vereinbaren, der den Armen beisteht und sie beschützt? In den Psalmen kommt so gut wie alles zur Sprache, was Menschen im Angesicht Gottes bewegt. Psalmen bieten keine Lehre. Sie spiegeln das Leben, alles, wozu Menschen fähig sind, dies alles bringen sie vor Gott. Hier spricht das Leben selbst in seinem Verlangen, erfüllt und heilvoll gelebt zu werden. Die Psalmen feiern das Leben als Geschenk Gottes. Und sie protestieren gegen alles, was das Leben bedroht und vernichtet. Sie erinnern daran, dass Gott seine Leidenschaft und seine Fürsorge für dieses Leben zugesagt hat.  „Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, der König der Ehre zieht ein."  Die Worte aus Psalm 24, die wir als Lied im Advent singen, erinnern daran, wie Israel in ferner Vorzeit, den Retter und Heilbringer erwartete. Bis heute werden Sehnsucht und Hoffnung vieler Menschen mit diesen Worten geweckt wie ein versickerter Wasserlauf, der durch kräftigen Regen wieder zu einem Fluss wird. Sehnsucht und Hoffnung werden in uns stark - das spüren viele, auch wenn sie dem sehr oft keinen Namen geben können. Wenige sagen ausdrücklich „wir warten auf den Retter, den Messias". Und doch: Die Sehnsucht ist da. Und in ihr die Verheißung einer anderen Wirklichkeit - in der es kein Unglück und keine Tränen, kein Leid und kein Unrecht geben wird.

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