SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

John F. Kennedy (* 29. Mai 1917 - † 22. November 1963) schrieb auf den Tag genau vor 50 Jahren Geschichte. Denn am 8. November 1960 gewann Kennedy mit hauchdünner Mehrheit die Präsidentschaftswahlen in den USA. Anfang Januar wurde er dann zum jüngsten und zum ersten katholischen Präsidenten der USA gewählt. Sein Name hat bei uns in Deutschland bis heute einen guten Klang. Sicher auch, weil gerade in diesem Jahr, 20 Jahre nach der Wiedervereinigung, dieser eine Satz von ihm immer wieder im Fernsehen zu hören ist: „Ich bin ein Berliner". Mitten im Kalten Krieg, als sich die Großmächte mit Atombomben bedrohen, ist das natürlich ein politischer Satz. Stacheldraht und Mauerbau prägen da schon die Stadt. Und Kennedy bringt in einem Satz auf den Punkt, was viele hoffen: Dass der Westen Berlin nicht fallen lässt. „Ich bin ein Berliner" lässt sich aber bis heute auch als Bekenntnis eines Menschen verstehen. Ein Bekenntnis, das nach Heimat schmeckt, nach Zugehörigkeit, nach Verbundenheit. „Ich bin ein Berliner" heißt: Ich gehöre zu euch, bin einer von euch, fühle mich bei euch wie Zuhause. Dabei war Kennedy natürlich kein Berliner. Seine Familie stammt aus Irland, er selbst wurde an der Ostküste Nordamerikas geboren. Kennedy ist ein Migrantenkind. Ein amerikanisches Kind mit Wurzeln im europäischen Kontinent. Und vielleicht auch deshalb konnte sich dieser Satz so tief in das deutsche Gedächtnis eingraben. Weil Heimat, 15 Jahre nach dem Ende des II. Weltkrieges, für viele ein Thema war. Die ihre Heimat verloren hatten, die neu anfangen mussten, die ihrem Leben neue Wurzeln geben mussten. Solche Geschichten von Zugehörigkeit und Heimatlosigkeit prägen auch den Basistext christlichen Glaubens, die Bibel. Vor allem das Alte Testament ist von der Suche nach Heimat geprägt. Immer wieder werden hier Menschen vertrieben, müssen losziehen und aufbrechen. So werden die Juden ins Exil nach Babylon verschleppt. Ihre Heimat ist zerstört, ihr zentrales Gotteshaus, der Tempel, abgerissen. Fern von zu Hause müssen sich die Juden mit einem neuen und fremden Leben arrangieren. Und sie finden tatsächlich eine neue Heimat - in ihrem Glauben. Im Glauben an Gott, der bei ihnen ist und sie begleitet - auch durch alle Heimatlosigkeit hindurch. Nur gut tausend Tage war John F. Kennedy im Amt. Dann wurde er erschossen. Aber sein Satz - „Ich bin ein Berliner" - bleibt. Er macht deutlich, was schon das Alte Testament erzählt: Menschen brauchen einen Ort, an dem sie zu Hause sein können, sich zugehörig fühlen. Der Gott der Juden und Christen, das glaube und hoffe ich, sagt mir das für alle Orte zu, für Berlin, aber auch für jeden Ort der Welt.

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