SWR1 Begegnungen

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Teil 1
Teil 1 behindert - erfolgreich – gläubig



Magdalena Neuner, Maria Riesch und Martin Schmitt haben ihre Medaillen schon in der Tasche. Frank Höfle hofft noch auf seine: In knapp 2 Wochen bei den Olympischen Spielen der Behinderten will er sie gewinnen. Zum 10. Mal ist der schwer sehbehinderte Langläufer bei den Paralympics dabei. Zusammen mit über 600 Sportler aus über 60 Nationen. Für ihn zum letzten Mal. Darum träumt er besonders davon, noch einmal die Fahne tragen zu dürfen.

Dafür würde ich eine Medaille hergeben. Das ist einfach so dieses Gefühl, Dich so eins zu fühlen, mit dem eigenen Team, mit den anderen Mannschaften aber auch mit dem Publikum. Das ist so eine Wärme, die einem da auch entgegen schlägt. Und so was noch mal erleben zu dürfen, da wäre schon klasse.

Frank Höfle erstaunt mich. Er kann mich höchstens als dunklen Schatten sehen. Mit einem kleinen Sehrest auf dem rechten Auge. Aber das merkt man nicht. Völlig sicher läuft er Stufen runter, in einem Tempo, dass ich kaum hinterher komme. Leistungssportler eben. Mehrfacher Goldmedaillengewinner bei den Paralympics. Noch einmal eine Medaille in Vancouver im Langlauf, das wärs. Am 8. März fliegt er. Das Kribbeln ist wieder da, sagt er. Obwohl er mit seinen 42 Jahren schon 9 Mal dabei war. Er freut sich unheimlich.

Dass ich Leute treffe, die ich mag, das Leben einfach im olympischen Dorf. Aber na klar bin ich Leistungssportler, diesen Adrenalinschub, den man so vor dem Start hat, dann auch diese mediale Präsenz, die dort ist.

Es werden die letzen Spiele für Frank Höfle als Sportler. Ein Einschnitt. Sport hat ihn stark geprägt. Kraft gegeben, seine Grenzen als Behinderter auszureizen. 5 war er, da hatte sein Vater den schweren Traktorunfall mit ihm, seitdem sieht er kaum noch. Was der der Sport ihm gegeben?

Alles; ne, aber sehr sehr viel. Ich komme aus einer Familie mit 12 Kindern. Mein Traum war immer ein bisschen mehr sein als einer von zwölfen. Und es hat mir in meinem Selbstbewusstsein unheimlich viel gegeben als Behinderter, der gerade auf dem Bauernhof seine Limitiertheit immer sieht und dann doch eine gewisse Prominenz erreicht und die Geschwister sind stolz auf dich. Ich weiß nicht, wo ich ohne den Sport heute stehen würde.

Zeitweise war er sogar überehrgeizig. Aber er hat auch seinen schulischen Weg gemacht. Hat den Schutzraum der Behindertenstiftung im Kloster Heiligenbronn verlassen. Abi am normalen Gymnasium. Studium. Irgendwie immer seinem Konfirmandenspruch auf der Spur. „Alles ist möglich, dem der glaubt.“

Ich denke, Glaube ist wichtig und hat mir unheimlich viel geholfen – ich hole mir lieber einen Blasiussegen als eine Grippeschutzimpfung. Ich muss aber auch sagen, dass ich Glaube im Sport sehr schlecht leben kann. Sport ist eigentlich immer sonntags und man kann oft nicht so in die Kirche gehen. Der Sport vereinnahmt einen sehr stark.

Seine Frau, mit der er seit 1991 verheiratet ist und die drei Töchter, haben ihn oft begleitet, aber auch die Schatten des Sports gespürt.

Er hat meinen Kindern oft den Vater genommen und er hat meiner Frau oft den Mann genommen, den man braucht. Und ich bin ein leidenschaftlicher Gärtner. Aber dann muss man zwischendrin auch mal wieder trainieren. Der Sport nimmt einem auch ganz viel. Da bin ich jetzt schon in einer Phase, wo ich sage, da muss ich irgendwann mal ein anderes Kapitel aufschlagen.

Frank Höfle sagt das ohne jede Wehmut. Erstaunlich. Genauso wie die Lebensgewissheit, die er ausdrückt.

Weil ich einfach auch glaube, dass wir dort hingestellt werden wo wir hingehören. Dass wir relativ wenig beeinflussen. Weil dass ich in Michelbach in der Familie Höfle geboren worden bin, da kann ich gar nichts dafür. Warum kann ich dann was dafür, dass ich heute in Heiligenbronn arbeite und was kann ich für meine Goldmedaille nächste Woche. Und wenn man das so sieht, dann kann man nämlich auch gut mit dem leben, was sich entwickelt. Es sind nämlich gar nicht unbedingt eigene Entscheidungen, sondern es sind Zufälle. Ich sage immer: ‚Der Mensch denkt, Gott lenkt.’

So zu glauben, bedeutet keineswegs, die Hände in den Schoß zu legen. Im Gegenteil, es macht ihn anscheinend frei, mit voller Kraft und Leidenschaft zu leben.

Teil 2
Teil 2 glücklich – leidenschaftlich – liebevoll


Frank Höfle ist in seinem Körper zuhause. Keine Spur von Unsicherheit. Dabei sieht er nur noch ganz wenig, mit dem rechten Auge nur. Aber er zeigt einer blinden Frau den Weg. Über den großen Platz rennt er. Seine Behinderung hat ihn reich gemacht, sagt er.

Diese Behinderung gehört zu mir. Die hat mir so viel Glück auch in meinem Leben gebracht. Dass ich meine Frau kennen gelernt habe, meine Familie jetzt habe, dass ich hier nach Heiligenbronn gekommen bin. Das sind ja so viele tolle Dinge. Da ist doch das, gestern am Bahnhof, dass ich dann nicht lesen konnte, was da steht und jemand fragen musste, das sind doch Lappalien. So weiß ich, ich bin limitiert und das tut auch ganz gut zu wissen, dass man Grenzen hat.

Vielleicht kann man erst, wenn man sich so annehmen kann, auch andere annehmen.

Ich weiß noch, als mein Vater auf dem Sterbebett lag, hab ich ihn in den Arm genommen und habe gesagt: Ich bin dir nicht böse, es ist gut so wie es ist.

Frank Höfle beeindruckt mich. Auch weil er sich nicht in sein privates und berufliches Glück zurückzieht. Im Gegenteil. Für ihn ist es auch Glück, dass er leidenschaftlich für etwas kämpfen kann. Und gegen etwas, wenn was falsch läuft.

Ist das nicht ein Unding, dass der Behindertenbeauftragte des Landes Baden-Württemberg oder ein Herr Hübbe, der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung gar nicht behindert sind? Kann das sein? Das zeigt doch wiederum das Bild, das die Gesellschaft von uns behinderten hat. Das können andere besser als ihr.’ Wir sprechen von ‚Teilhabe’, wo findet sie wirklich statt?

Frank Höfles Ziele reichen weit über den Sport hinaus. Er will sich auch politisch engagieren. Er hat eine Vision. Ein Sozialstaat, der Behinderte immer nur versorgt und Behinderte, die sich in Nischen einrichten, das ist für ihn kein Zukunftsmodell.

Teilhabe, Mitwirken in der Gesellschaft: Wir haben technische Fortschritte, die auch es ermöglichen, dass viele Behinderte einen produktiven Teil der Gesellschaft darstellen. Es ist mir immer noch schleierhaft, warum wir eine Behindertenwerkstatt brauchen und die kriegt jeden Monat soundsoviel Geld. Warum kann der nicht in einer Tankstelle mitarbeiten und dann kriegt der Tankstellenpächter Geld, damit er einen behinderten Menschen einstellt.

Ein gewiefter Funktionär ohne Bodenhaftung, will er gewiss nicht werden. Das spürt man, als Frank Höfle mich in der Kantine zu seinen behinderten Freunden führt: Annibal, der Bürsten macht, Ingrid, Kathrin, Stefan. Großes hallo. Ich glaube, er liebt sie und sie ihn. Und das ist die Kraft, die ihn eigentlich bewegt, jeden bewegen sollte.

Ich denke, das ist einfach, weil ich im tiefsten Innern überzeugt bin, dass jeder Mensch etwas dazu beitragen muss, dass es auf unserer Erde ein Stück besser wird.
Es ist die Liebe, die man hat und die Überzeugung, dass man mit dieser Liebe viel erreichen kann. Da denke ich, habe ich mit meinem Namenspatron mit dem Franz von Assisi einen, der mir ein gutes Leitbild gibt.


Ein großes Vorbild! Aber vielleicht hat Frank Höfle ja recht: Nicht vorschnell zu klein denken!

Er war ja wirklich radikal ohne Ende, da bin ich ja noch ganz harmlos. Aber in die Richtung müssen wir uns, glaube ich, als Gesellschaft und als einzelnes Individuum bewegen, dann kann vieles gelingen. https://www.kirche-im-swr.de/?m=7816
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