SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag


Es gibt Tage, da möchte ich nur eines: mich am liebsten verkriechen. Decke über den Kopf – schlafen – weiterschlafen - nur nicht aufstehen.
Nicht wegen der Müdigkeit – und auch nicht wegen der Erschöpfung. Das ist es nicht. Eher: Weil mich das, was mich erwartet, bedrückt – mir unüberwindlich erscheint. Gedanken kreisen – Unerledigtes, Misslungenes kommt in den Sinn. Manchmal spüre ich das auch körperlich: Ich höre meinen angespannten Atem. Und mein Herz ist schwer – wie unter Druck, belastet. Wie da raus? Wie da frei werden, für das, was der Tag bringt?

Ich habe kein Patentrezept.
Aber ich will auch nicht verschweigen, wie mir eine geistliche Übung – so möchte ich es einmal nennen – oft heraushilft. Kein festes Ritual, keine große Geschichte, am Anfang steht oft nur ein Gedanke – eine Erinnerung – wie ein Gedankenblitz durchfährt es mich: „Mensch, du lebst, du bist dabei! – Du darfst leben?! – Spür doch dieses Geschenk! Wirf es nicht weg. Lass dich nicht nur in deine Sorgen verstricken. Dein Leben hat noch einen anderen Horizont – von Gott ist es dir geschenkt – heute.“

So ein Gedanke verwandelt mein Empfinden. Manchmal allmählich, manchmal auch schlagartig. Kann sein – ein Gebetwort kommt mir dazu in den Sinn: Wie dieses: „Ob ich schon wanderte im finstern Tal – fürchte ich kein Unglück. Denn du Gott bist bei mir.“ (Psalm 23,4)
Oder: „Lobe den HERRn meine Seele und vergiss nicht, was er dir gutes Getan hat...“ (Psalm 103,2) Oder ein Lied. In allem geschieht etwas mit mir: Das erhebt mein Herz. Das gibt meiner Seele Kraft.

? Alles Einbildung – wenn sich meine Stimmung so verändert? Ja, buchstäblich „Ein-Bildung“. Ich präge mir dieses Bild ein und sage mir: „Du bist ein Ebenbild Gottes, sein Geschöpf. Von ihm und auf ihn hin lebst Du. Dein Leben geht nicht auf in den runter ziehenden Verstrickungen.“ So entsteht so etwas wie ein Zwischenraum zwischen meinen Sorgen und mir. Sie rücken mir ein Stück weit vom Leib – sie werden kleiner und ein anderer Horizont bekommt Gewicht.
Heute – am kalendarischen Herbstanfang – mag ich diesen Seelen-Umschwung in mir mit einem Herbstmorgen vergleichen – so wie ihn Verse aus einem Gedicht von Eduard Mörike fassen:

„Bald siehst du, wenn der Schleier fällt
den blauen Himmel unverstellt,
herbstkräftig die gedämpfte Welt
in warmen Golde fließen.“


aus: Septembermorgen, von Eduard Mörike

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