Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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In diesem Jahr nach dem Urlaub fiel es mir besonders schwer, wieder hineinzufinden in die tägliche Arbeit – ich musste mich manchmal fast zwingen, den Antrieb zu starten für den beginnenden Tag, für die Aufgaben, die Termine.
Ein Sprichwort begegnete mir in diesen Tagen, nicht neu und zum ersten Mal, sondern gut bekannt – vor vielen Jahren mussten wir als Schüler eine Deutscharbeit darüber schreiben, das Für und Wider erörtern: „Müßiggang ist aller Laster Anfang!“ Ich frage mich, ob es stimmt, was mit diesem Sprichwort vielleicht zum Ausdruck kommen soll, oder zumindest, was dahintersteckt… - soll etwa die Arbeit, das Tätigsein hochgerühmt und damit das Nichtstun verabscheut werden?
Sofern ich unter Müßiggang eine dauerhafte Untätigkeit verstehe, wenn es mal so ist, dass ich „mit meiner Zeit“ nichts anzufangen weiß, dann muss ich wirklich etwas dagegen tun, dann gebe ich dem Sprichwort recht, dann würde manchem Übel Tür und Tor geöffnet - Müßiggang wird dann wirklich zu „aller Laster Anfang“.
Ich muss mich natürlich hin und wieder überwinden, ich muss mich aufraffen, sei es nach dem Urlaub, am frühen Morgen oder wann auch immer.
Aber: Es ist auch wichtig, guten Gewissens hin und wieder faul zu sein, bewusst nichts zu tun, zur Ruhe zu kommen – dann geht das, was getan werden muss, hinterher um so leichter. Ich darf lernen, auch im Nichtstun mich selbst zu ertragen, ich muss mich nicht ablenken, auch nicht in meiner freien Zeit. Und: Ich darf dies auch anderen gönnen. Der Wert unseres Lebens definiert sich zum Glück nicht nur durch das, was wir leisten oder bereits geleistet haben.
Warum sollte ich mir nicht selbst auch mal ungeplante Zeit schenken, vielleicht hätten auch andere Menschen etwas davon.
Bernhard von Clairvaux, Gründer des Ordens der Zisterzienser und eine herausragende Gestalt des 12.Jahrhunderts, schreibt an seinen Vertrauten, an Papst Eugen III, dem die viele Arbeit manchmal zu schaffen machte: „Wenn alle Menschen ein Recht auf Dich haben, dann sei auch Du selbst ein Mensch, der ein Recht auf sich selbst hat. Warum solltest nur Du selbst nichts von Dir haben? Gönne Dich Dir selbst. Ich sage nicht: Tue das immer. Ich sage nicht: Tue das oft. Aber ich sage: Tue es immer wieder einmal. Sei wie für alle anderen auch für Dich selbst da.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=6755
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