SWR4 Abendgedanken RP

SWR4 Abendgedanken RP

SWR 4 Blickpunkt: heute zur Frage: Spielen christliche Werte bei der Führung von öffentli-chen Ämtern und Betrieben eine Rolle? Helfen sie dabei, der Verantwortung gerecht zu wer-den?
Ralf Spiegler ist Bürgermeister der Verbandsgemeinde Nieder-Olm. Sein Aufgabenbereich in sehr vielfältig:

das umfasst die Verwaltung der Ortsgemeinden mit allen Problemen, Kindergärten, Stras-senbau, Erweiterung der Gemeinden, es geht um Schulen, es geht um Feuerwehr, es geht um Schwimmbad, es geht um Wasser, Abwasser, das ganze, breite Betätigungsfeld all des-sen, was die Bürger direkt berührt.

Über 300 Mitarbeiter arbeiten in den Einrichtungen der Verbandsgemeinde. Viele Verwal-tungsvorschriften gilt es zu beachten. Die Verwaltungsbeamten arbeiten mit den Angestellten zusammen, und um dies durch gute Personalführung zu fördern, muss Ralf Spiegler häufig weitreichende Entscheidungen fällen.
Anders sieht die Verantwortung aus, wenn man eine Schule leiten muss. Bettina Gerhard steht als Leiterin der Georg- Forster Gesamtschule täglich vor wichtigen Entscheidungen.

Wenn Sie mich nach meiner Verantwortung in dieser Rolle und in dieser Position fragen, dann brauchen Sie sich eigentlich nur vor Augen zu halten, dass wir fast 1000 Schülerinnen und Schüler haben, für deren Bildung und Erziehung wir über einen langen Zeitraum 6 bzw. 9 Jahre zusammen mit den Eltern verantwortlich sind. Das stellt uns jeden Tag vor große Herausforderungen, aber es ist eine Aufgabe, die uns auch viel Freude bereitet.

Ein Betrieb anderer Art ist ein Zimmereibetrieb. Bernd Süssenberger ist Handwerksmeister und Chef eines 20 Mann- Betriebes im rheinhessischen Jugenheim. Auch er hat eine hohe Verantwortung.

Ich würde die Verantwortung an drei Punkten festmachen:Erstens die Verantwortung gegen-über der eigenen Familie, die natürlich in solch einem Handwerksbetrieb voll eingebunden ist. Genauso, denke ich, hat man die Verantwortung für seine Mitarbeiter, die sich natürlich auf das betriebswirtschaftliche Geschick ihres Chefs ein Stück weit verlassen und davon ausgehen, wenn sie Überdurchschnittliches für den Betrieb leisten, der Chef ebenso für sie da ist. Und als drittes steht die Verantwortung gegenüber unserem Handwerk und somit un-serer Kundschaft, die ein Anrecht hat auf saubere, ordentliche und termingerechte Arbeit.

Und der Landrat eines großen Landkreises, womit setzt er sich Tag für Tag auseinander? Claus Schick, Landrat des Kreises Mainz-Bingen

Es ist eine Verantwortung in mehrfacher Hinsicht, zunächst einmal haben die Bürgerinnen und Bürger den Landrat gewählt in der Erwartungshaltung, dass er als Leiter der Verwaltung als Dienstleister für sie agiert, dafür sorgt, dass die Bürgerinnen und Bürger sich beim Land-kreis, bei den Mitarbeitern gut aufgehoben fühlen, dass sie wissen, sie werden sach- und fachgerecht beraten. Der zweite Punkt, er hat natürlich gleichzeitig auch Verantwortung den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber, dass sind ungefähr 750 Personen an der Zahl. Auch dafür hat man natürlich Verantwortung.

Jeder der vier hat seine besondere Verantwortung. Und die besteht darin, Menschen zu füh-ren, für deren Wohlergehen Entscheidungen zu treffen. Nach Recht und Gesetz zu entschei-den. An welchen Wertvorstellungen sie sich bei ihren Entscheidungen orientieren und wie ihnen das hilft, darüber mehr nach der Musik

Teil 2

Menschen mit hoher Verantwortung und Führungsaufgaben tragen oft schwer an der Aufgabe. Denn von ihren Entscheidungen hängt viel ab und sie müs-sen sich in ihren Entscheidungen tagtäglich bewähren. Spielen christliche Werte dabei eine Rolle?
Ein praktisches Beispiel gibt Ralph Spiegler, der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Nie-der-Olm, seine Mitarbeiter überwachen den ruhenden Verkehr und müssen dabei auch Bussgelder verhängen. Und, jeder von uns kennt das, man sieht das nicht ein, man hat doch gerade nur mal eben was geholt und schon ein Knöllchen, das kann doch nicht wahr sein. Und wenn dann der Bürgermeister ein guter Bekannter, ja ein Freund ist? Da begibt man sich leicht aufs Glatteis. Ralph Spiegler ist da absolut korrekt, wie er sagt. Und dann kommt es auf eine ethisch fundierte Entscheidung an

Nehmen Sie die Frage der Knöllchen: Ein guter Bekannter kommt zu mir und sagt: Herr Spiegler, meinetwegen auch Ralph, ich hab da ‚n Knollen, Du weißt ja, kann man das net zurücknehmen? Das ist weniger ein ethisches Problem als die Frage: Wie geh ich mit mei-nen Mitarbeitern um. Ich versuche einen sehr vertrauensvollen Umgang mit meinen Mitarbei-tern, versuche, Ihnen auch Verantwortung zu übertragen, schicke sie raus, beispielsweise, den Verkehr zu kontrollieren und wenn ich jetzt das Strafticket zurücknehme, sagt der Mitar-beiter und zwar zu Recht, möglicherweise nicht in dieser Wortwahl, aber er sagt zu Recht: Chef, Du gibst mir Vertrauen, schickst mich raus, und zweifelst dann meine zu Recht getrof-fene Entscheidung an, dann könnte er durchaus sagen: Chef, mach’s in Zukunft selbst.

Der Chef hätte in den Augen der Mitarbeiter an Wertschätzung verloren, wenn er einerseits den Mitarbeitern Aufgaben anvertraut, die er anschliessend eigenmächtig zu nichte macht. Es ist ein spannungsgeladenes Verhältnis in so einem öffentlichen Amt.
Was sind die typischen Konflikte, in denen sich eine Schulleiterin bewähren muss? Da geht es vor zum Beispiel darum, Schülern die Grenzen der Mitbestimmung aufzuzeigen. Und das so, dass die Schüler das verstehen und annehmen können, meint Bettina Gerhard, Schullei-terin der Georg-Forster-Gesamtschule in Wörrstadt.

Jugendliche möchten gern das Gebäude und ihre Räumlichkeiten in eigener Verantwortung haben, dass heisst das sie gerne z. B. ein Pausenradio hätten oder dass sie Graffiti-Wände besprühen wollen oder dass sie sich in der Pause möglichst überhaupt nicht aus dem Ge-bäude raus begeben wollen.

Aber das ist weder für die einzelnen Schüler gut, noch für die Schule als Ganzes. Also müs-sen Regeln beschlossen werden, die Schüler müssen mitbeteiligt werden an der Kontrolle und Einhaltung dieser Regeln. Schließlich trifft sie das im späteren Leben noch viel mehr als in dem geschützten Raum der Schule.
Wie ist das nun bei einem Landrat? Oft ist er die letzte Instanz, wenn es zum Beispiel über Gehen oder Bleiben von abgelehnten Asylbewerbern geht. Landrat Claus Schick steht dann vor dem Dilemma: da ist einerseits das Gesetz, das in bestimmten Fällen ganz klar eine Ausweisung vorschreibt.

… andererseits kennt man die Not der Menschen, die dann davon betroffen sind, da gabs dann ‚ne ganze Reihe von Fällen, die äußerst schwierig waren, aber ich bin da sehr gut beraten worden, auch von, nicht zuletzt auch von dem Beauftragten der evangelischen Kirche, ein hoch engagierter Mann, der wirklich einen tollen Auftrag da erfüllt hat und der uns auch geholfen hat dabei.

Drei Beispiele: Das Knöllchen, das man so eben einmal den Verbandsbürgermeister bittet, zu zerreissen, oder die Regeln für Heranwachsende und schliesslich, und dabei geht es manchmal buchstäblich um Leben und Tod, die Abschiebe-- oder die Bleibeentscheidung eines Landrats, der als Amtsperson an Recht und Gesetz gebunden ist, und menschlich oft anders entscheiden würde.
Welche Werte sind es, die die Chefs brauchen. Finden sie Halt in ihrem Glauben in ihren Wertvorstellungen? Darüber mehr nach der Musik

Teil 3

Chefs großer Einrichtungen tragen eine große Verantwortung für das Leben von Mitarbeitern und Mitmenschen. Was leitet sie bei ihren alltäglichen Ent-scheidungen? Welche Werte sind ihnen dabei wichtig?
Bernd Süssenberger, der Chef eines großen Handwerksbetriebes in Jugenheim in Rhein-hessen hat da klare Vorstellungen:

Natürlich sind für mich die christlichen Wertvorstellungen wichtig, die haben wir ja schon als Kinder im Elternhaus vorgelebt bekommen, und ich denke, Zuverlässigkeit oder Beständig-keit, Ehrlichkeit, Pünktlichkeit oder Kameradschaft oder der Mensch als solches sollten ei-gentlich immer im Vordergrund stehen.

Das ist die eine Seite: Die Eltern haben christliche Werte wie Glaube und Nächstenliebe, Ehrlichkeit und Kameradschaft vorgelebt, das haben die Kinder übernommen. Sie haben es auch zum Beispiel im Religionsunterricht, im Kindergottesdienst und im Konfirmandenunter-richt an den Geschichten mit Jesus kennengelernt.
Der Betrieb der Familie Süssenberger ist vom Vater auf den Sohn vererbt worden und der Sohn will ihn auch an seine Kinder weitergeben, das hat er sich fest vorgenommen und die Kinder sind da mit einbezogen. Aber, man macht auch Fehler. Und wie mit Fehlern umge-gangen wird, dazu hat Bernd Süssenberger auch seine christlich begründete eigene Mei-nung:

Ein Betrieb in unserer Größenordnung basiert einfach auf gegenseitigem Vertrauen, ich ma-che Fehler, in der Familie werden Fehler gemacht, und so werden auch im Betrieb Fehler gemacht. Wichtig ist, wenn man einen Fehler macht, dass man dafür grad steht und dafür einsteht und den wieder wegmacht.

Fehler wieder gut machen, Fehler wieder wegmachen, das erfordert Mut und Selbstkritik, Wahrheitsliebe und die christlichen Tugenden, von denen die Bibel redet: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Demut. Die Bibel nennt sie die Früchte des Glaubens. Das schliesst nicht aus, und das muss ein Chef ja auch tagtäglich tun, dass er Mitarbeiter motiviert, ermahnt, auch Kritik an ihnen übt und als freundlicher, be-stimmter und in den Grenzen des Möglichen gerechter Vorgesetzter handelt.
Wie ist das, wenn man eine Schule zu leiten hat? Bettina Gerhard, Leiterin der Gesamtschu-le Wörrstadt

Wenn Sie an Menschenrechte, Bürgerrechte und ähnliches denken, und diese Fragen von Gerechtigkeit, Toleranz, Mitmenschlichkeit sind die Werte, die uns in unserm täglichen Han-deln immer eine wichtige Orientierung liefern.

Und ob man das nun ausspricht und bekennt, dass man als Christ handelt, das tun ja nur wenige öffentlich, oder ob man es einfach mit in das alltägliche Handeln hineinnimmt, das sei dahingestellt. Die Werte wie Gerechtigkeit, Toleranz, Mitmenschlichkeit, sie sind für mich Teil der Liebe Jesu zu den Menschen. diese Werte sind eng mit dem christlichen Glauben ver-bunden. Ob als Chef einer öffentlicher Verwaltung, einer Schule oder eines Betriebes, - bei meinen Gesprächspartnern spielte die christliche Wertorientierung eine große Rolle bei der Bewältigung ihrer alltäglichen Aufgaben. Und sie sind im normalen Alltagsgeschäft unserer Entscheidungsträger viel wichtiger als uns so manche Skandale in den Medien uns glauben machen wollen.
Wie sagt doch Jesus in der Bergpredigt: „Behandelt die Menschen so, wie ihr selbst von ih-nen behandelt werden wollt – das ist es, was das Gesetz und die Propheten fordern.“ https://www.kirche-im-swr.de/?m=6746
weiterlesen...