SWR2 Wort zum Tag

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Eigentlich ist Frankreich ein laizistisches Land. Kirche ist seit der französischen Revolution Privatangelegenheit. Andererseits: Wenn ich durch Frankreich fahre, habe ich das Gefühl: Kirchen prägen
das Bild von Dörfern und Städten wie in wenigen anderen Ländern. Oft trifft man in völlig abgelegenen Gegenden auf außergewöhnlich bedeutende Bauwerke. Sie stehen da, viele von ihnen schon beinahe tausend Jahre. Still. Unbewegt. Standhaft. Ein Versprechen der Stetigkeit im Wandel der Zeit.
Ich finde es immer wieder berührend, das Angebot eines Kirchengebäudes anzunehmen und zu erfahren. Besonders gern in romanischen Kirchen. Außen wie innen, einfach und klar. Ohne Spielerei und Firlefanz. Die ruhig geschwungenen Säulenbögen. Massiv, kräftig, aber nicht wuchtig. Hoch, ohne Überschwang, man
muss sich nicht ducken. Immer wieder das Gefühl, frei zu sein und geborgen zugleich. So ein Kirchenraum ist anders als die Welt draußen, auch wenn man ihn nur als Kulturdenkmal versteht.
Ich selbst weiß kein besseres Wort dafür als „heilig“. Ich kann auf einmal langsamer gehen und es tut mir gut. Lärm und Klänge von draußen verlieren an Bedeutung. Ich werde ruhiger und auch das tut gut. Man kann allein sein mit seinen Gedanken und spürt: Hier sind sie gut aufgehoben. Hier bin ich aufgehoben. Und mir scheint: Es nimmt jemand Anteil an mir, der es gut mit mir meint.
Und noch etwas macht mir alte Kirchen „heilig“ Ich erlebe Zeit: Wie viele Menschen haben wohl vor mir
schon das Angebot dieses Raums angenommen, in fast 1000 Jahren. Wie vielen hat er gedient. Als Ort, zu dem sie kamen, mit allem was ihnen das Leben schwer oder auch schön gemacht hat. Sie wussten, dahin kann ich gehen. In Kriegszeiten und wenn endlich der Frieden dem Leben wieder neue Kraft gegeben hat. In Zeiten, in denen alles anders wurde.
Menschen haben ihre Toten betrauert. Ihre Neugeborenen freudig oder auch ängstlich getauft. Haben ihre Gedanken, Sorgen, ihre Schuld, ihre Hoffnungen hierher getragen und sind anders gegangen, als sie gekommen sind. „Ich bin bei Euch alle Tage“. Was Jesus.versprochen hat: Viele haben gespürt wie ich auch.
So ein Kirchenraum erinnert: Es gibt eine Wirklichkeit, die über mich hinausreicht. Und hier drin berührt sie mich. Wohin sollte man gehen, wenn es diese Räume nicht gäbe? In einer alten Kirche kann man es spüren, an Leib und Seele. Ich lebe nicht nur in meiner Welt. Da gibt es noch was anderes: Gott geht mit durch die Zeiten, er ist weiter als ich und er ist da. https://www.kirche-im-swr.de/?m=6745
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