SWR2 Wort zum Tag

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Karfreitag und Ostern, Tod Jesu und Auferstehung. Im christlichen Glaubensverständnis gibt es keine Sicht auf den auferstandenen Christus, ohne den Blick auf Jesus, der gelitten hat, ungerecht verurteilt wurde und am Kreuz gestorben ist. Ohne das Wahrnehmen des Leidens Jesu gibt es keinen Zugang zur Freude seiner Auferstehung. Es gibt kein Osterfest, dem der Karfreitag nicht vorausgeht. Das Osterbekenntnis ist nur in zwei Sätzen möglich: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir.“
In der Geschichte der Kunst gab es eine Zeit, in der kostbar geschmückte Prozessionskreuze angefertigt wurden, die auf der einen Seite den am Kreuz leidenden, und auf der anderen den aus dem Tod erstandenen Jesus Christus darstellen; beides in Einem, wie Vorder- und Rückseite. In der frühen Zeit der Kirche, im ersten Jahrtausend, stellte man an Kreuzen nicht das Leiden und Sterben Jesu dar, sondern seinen Sieg über den Tod. Christus herrscht gleichsam vom Kreuz herab. Später, seit dem 13. Jahrhundert bis in unsere Tage, überwiegen die Darstellungen des Leidenden, des Gemarterten, qualvoll Sterbenden. Statt der Königskrone trägt Jesus die Dornenkrone.
Eine fast unlösbare, zumindest sehr anspruchsvolle Aufgabe ist es, bei den Osterbildern beides im Blick zu behalten: die Qual und den Sieg. Es ist schwierig, nicht eines der beiden Geschehen aus dem Auge zu verlieren, das Leiden Jesu und seine Verherrlichung; Tod und Auferstehung sind nicht zwei Ereignisse, sondern ein Ereignis in zwei Aspekten. Es ist schwer, nicht zu trennen, was zusammengehört wie Vorder- und Rückseite. Das Symbol des Kreuzes hält die Aufmerksamkeit für das Leiden und Sterben Jesu wach. Und gleichzeitig lädt es ein zum Vertrauen auf Gott, der Jesus aus dem Tod erweckt hat. Der Blick auf den Auferstandenen, die Hoffnung auf Gott, der Jesus auferweckt hat zu neuem Leben, bleibt untrennbar verbunden mit dem aufmerksamen Blick auf sein Leiden und Sterben. Die ersten Osterzeugen waren die Frauen und Männer, die ausgehalten hatten bei Jesus in seinem Leiden bis zum Tod. An seinen Wundmalen erkannten sie später den Auferstandenen.
Die österliche Hoffnung auf Gott, der Leben schenkt über den Tod hinaus, ist gebunden an die Aufmerksamkeit für die Leidenden. Dieses Bewusstsein begleitet die Geschichte der Christen von Anfang an. Gregor von Nazianz, ein Theologe im 4. Jahrhundert, schreibt: „Lasst euch berühren. Durch nichts wird Gott so sehr geehrt, wie durch Mitleid“, durch die helfende Zuwendung zu denen, die zu leiden haben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=5981
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