SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Ein Bekannter erzählt: "Ich erinnere mich mit Schrecken an ein Erlebnis meiner Kindheit.
Viel zu spät war ich nach dem Spielen nach hause gekommen. Meine Mutter machte sich
große Sorgen und war sehr wütend über mich - wir hatten eine klare Absprache getroffen,
und ich hatte sie gebrochen. Mutters Zorn war gewaltig, und noch schlimmer war: Ich wusste, dass sie im Recht war. Und doch habe ich viel gelernt durch den Zorn meiner Mutter. Im Rückblick wurde die Gewalt, das Verletzende dieses Zorns kleiner. Und ich verstand immer mehr, dass die Wurzeln dieses Zornes in der Liebe meiner Mutter lagen. Sie wollte, dass ich bewahrt bleibe, heil zu hause ankomme."
Zorn hat offenbar manchmal auch positive Seiten. Zorn entsteht ja häufig aus Enttäuschung. Paradoxerweise zeigt sich dann im Zorn nicht Hass, sondern Liebe, enttäuschte, verletzte Liebe.
In gewissem Sinne offenbart der Zorn aus Liebe genau das, was sich hinter ihm versteckt:
Du bist mir nicht egal! Du bist mein Kind, mein Partner, und ich liebe dich so sehr, dass ich
dir einfach böse sein muss.
Auch in der Bibel ist vom Zorn Gottes die Rede. Gottes Zorn entbrennt, wo er beleidigt wird, wo man ihn mit anderen Göttern betrügt oder goldene Kälber verehrt. Oder wenn Menschen Absprachen nicht einhalten oder den Hals nicht voll genug bekommen können.
Mir helfen die Geschichten vom zornigen Gott, mit eigenem Zorn besser umzugehen - und
mit dem Zorn anderer auf mich. Falscher Zorn hat immer etwas mit Macht zu tun und deren Missbrauch. Er zielt auf Kränkung und Erniedrigung des anderen. Echter Zorn hat etwas heiliges, denn er hat seine Wurzeln in der Liebe.
Er will Beziehung und wird schon deshalb niemals grundlos sein und auch nicht maßlos.
Diesem Zorn muss ich mich beugen, muss die Aussprache suchen und die Aussöhnung.
Diesen Zorn muss ich aber auch beenden und selber Vergebung gewähren.
Lernen kann ich das bei Gott, dessen Zorn, wie die Bibel sagt, niemals ewig währt.
Die Angst vor Gottes Zorn ist uns fremd geworden. Und doch glaube ich, dass Gott zornig werden kann - ein Vater, der von seinen Kindern immer wieder enttäuscht und verletzt wird.
Manches Unglück mag man als eine Folge dieses Zorns verstehen (Finanzkrise).
Aber im Rückblick zeigt sich auch hier ein Herz voller Sehnsucht und Liebe.
Gott will nicht leben ohne sein Kind.
Wenn er es wieder in die Arme schließt, dann ist sein Zorn verflogen.
Die Strafe hat ein anderer getragen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=5698
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