Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Die Frau war irgendwie immer nur gut für die berühmten drei K’s: Küche, Kinder, Kirche. Martha, eine der Jüngerinnen Jesu. Ihre Geschichte hat Lukas überliefert (Lukasevangelium 10, 38-42). Jesus lädt sich bei den Schwestern Maria und Martha zum Essen ein. Mit Maria unterhält er sich, während Martha in der Küche rumwuselt. Sie kocht, deckt den Tisch, erledigt alles. Und Maria sitzt da, hört Jesus zu. Als sich Martha beschwert, da lässt Jesus sie ziemlich abfahren. Nein, das wäre schon ok so, dass Maria zuhört. Kein Wunder, dass Martha als Urbild der „biederen Hausfrau“ gilt.
Aber diese Martha hat tatsächlich auch noch eine andere Seite. Der Legende nach gründet sie in Südfrankreich ein Kloster und leitete es dreißig Jahre lang. Dafür muss diese scheinbar unscheinbare Martha ganz schon durchsetzungsfähig gewesen sein. Und dann ist da noch die Drachenstory. Martha, so erzählt es eine provençalische Legende, bändigt im Rhônetal den Menschen fressenden Drachen Tarasque. Anders als die üblichen Drachenkämpfer kommt sie allerdings ohne Schwert und Lanze aus. Ihre Waffen sind andere: das Kreuzzeichen, Weihwasser und Weihrauch. Damit ist sie erfolgreich. Der Drache gibt klein bei und Martha führt ihn an ihrem Gürtel nach Arles. Sie tötet ihn aber nicht, sondern lässt ihn in der Rhône frei, denn da, so die Legende, gehört der Drache hin.
Martha: eine Frau mit zwei Gesichtern. Hier die fleißige Hausfrau, auf die etwas abschätzig heruntergeguckt wird, dort die Drachenfängerin, um die sich Legenden ranken. Beides zusammen erst ergibt das Bild einer Frau, die nicht nur aufregt, sondern anregt. Es geht mir oft auch so, dass ich jemanden anderes sehr schnell in eine Schublade stecke. Mir ein Bild mache. Ein eindeutiges Bild. Martha macht mich darauf aufmerksam: Menschen können viele, verschiedene Seiten haben. Können Hausfrau und Drachenkämpferin sein.

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