Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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07OKT2021
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Wie weit müssen Bienen fliegen, um den Nektar zu sammeln, der ein Glas Honig ergibt? Ich dachte erst, ich hab mich verhört: Es sind im Schnitt 120 000 Kilometer. Dreimal um die Welt. Für gerade mal ein Pfund Honig.

Seit ich das weiß, seh ich Bienen mit anderen Augen. Und ebenso den Honig. Bisher dachte ich allenfalls ans Imkern, das ja auch ganz schön aufwendig ist. Aber was gäbe es im Stock zu ernten, wenn die Bienen nicht die eigentliche Arbeit verrichtet hätten? Wir hätten keinen Honig. Aber noch viel schlimmer wäre, dass auch die Bäume nicht tragen könnten. Äpfel, Birnen, Zwetschgen, Hagebutten, all die Früchte, die im Sommer und im Herbst reif werden. 

Bei den Bienen sehen wir ein, wie wichtig sie sind. Weil wir einen unmittelbaren Nutzen von ihnen haben. Und erst so ganz langsam spricht sich herum, dass alle Arten, die die Schöpfung hervorgebracht hat, ihre ganz eigene Aufgabe haben. Immerhin wissen wir schon, dass alles miteinander zusammenhängt. Dass alle Arten von Lebewesen ihren Platz und ihre Aufgabe haben. Wie in einem riesigen Perpetuum mobile. Wenn ich an einer Stelle was rausnehme, bewegt sich das ganze System. Und wenn es sich wieder neu austariert hat, wird es anders aussehen als vorher. 

Das ‚Rausnehmen‘ praktizieren wir ja schon. Und rotten dabei unbekümmert und ignorant viele Arten aus, immer noch. Weil wir nur unseren vordergründigen Nutzen sehen. Weil wir keine Ahnung davon haben, welche empfindlichen Wechselwirkungen es gibt. Weil wir immer noch nicht begreifen, dass wir selbst ein Teil in diesem Mobile der Natur sind, und nicht nur Spieler, die von außen zuschauen und unbeteiligt ausprobieren können, was passiert. 

Die Bibel sagt: Die Erde ist uns anvertraut, damit wie sie ‚bebauen und bewahren‘. (vgl. Genesis 2,15) Das Bebauen haben wir mit großem Fleiß und großem Erfolg getan. Jetzt ist das Bewahren dran! Mit großen Entscheidungen in der Politik. Und mit vielen kleinen Entscheidungen in meinem Alltag. Ich versuche zum Beispiel, ohne aggressive Reiniger zu putzen, und setze stattdessen auf mildere Hausmittel. Damit es auch in Zukunft noch Insekten gibt, die Pflanzen bestäuben. Und Bienen, die dreimal den Weg um die Erde zurücklegen, bis ich ein Glas Honig auf den Frühstückstisch stellen kann.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34051
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