Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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04OKT2021
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Fast kein Tag vergeht ohne schlimme Nachrichten. Von Klimakrise, von Bränden, von  Überschwemmungen… Umweltprobleme sind ein modernes Phänomen. Im späten Mittelalter konnte noch niemand ahnen, was wir heute unter ‚Treibhausgasen‘ oder ‚Erderhitzung‘ verstehen. Die Beziehung zwischen den Menschen und der Natur wurde nicht groß bedacht. Naturkatastrophen wie Unwetter oder Dürre nahm man eben hin, als Schicksal, als Prüfung, als Strafe Gottes vielleicht. Nicht aber als unmittelbare Folge des rücksichtslosen Umgangs mit der Erde.

Um so erstaunlicher ist es, dass es auch damals schon Menschen gab, die sich für einen liebevolleren, partnerschaftlichen Umgang mit anderen Lebewesen und mit der Schöpfung  insgesamt eingesetzt haben. Einer von ihnen war der italienische Kaufmannssohn Franz von Assisi. Nach einem Bekehrungserlebnis änderte er seinen Lebensstil radikal. Der verwöhnte und hoffnungsvolle Spross einer Tuchändlerdynastie verzichtete auf sein Erbe und wollte fortan arm und bedürfnislos leben, verbunden mit gleichgesinnten Menschen, geschwisterlich mit Tieren und Pflanzen.

In der Stadt Gubbio, so erzählt eine Legende, habe ein gefährlicher Wolf die Leute in Angst und Schrecken versetzt. Da sei Franz einfach auf den grimmigen Wolf zugegangen, ohne jede Angst. Als ‚Bruder Wolf’ habe er die Bestie angesprochen. Und der habe ihm zugehört. Am Ende kam es zu einem Vertrag: Die Leute von Gubbio haben sich verpflichtet, den Wolf zu füttern, ihm zu geben, was er zum Leben braucht. Und der bis dahin ‚böse’ Wolf habe dafür zugesagt, künftig mit Schafen und Menschen friedlich zusammenzuleben. Und so sei es dann auch gekommen.

Eine schöne Legende. Und wie alle Legenden hat sie eine Botschaft. Der ‚Wolf’ ist ein Bild für die Natur, für ihre ungezähmten Kräfte. Und die Stadtbewohner stehen für die Zivilisation, die sich die Natur nach und nach gefügig gemacht hat. Die Legende sagt: Natur und Mensch gehören zusammen. Sie sind nicht Feinde, sondern Partner. Beide haben ihr Recht, beide müssen zu einem Ausgleich finden.

Was für ein moderner Gedanke – in den Bildern einer mittelalterlichen Legende. Und was für ein moderner Heiliger, dieser Franz von Assisi. Und heute ist sein Gedenktag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34048
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