SWR2 Wort zum Tag

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27AUG2021
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„Verzicht“ und „verzichten“ sind unpopuläre Worte. So unpopulär, dass sich viele davor scheuen und sie erst gar nicht verwenden, auch in der Politik. Das ist verständlich. Denn ungern mag man in Krisenzeiten Menschen sagen, deren Stimme man bei der nächsten Wahl gewinnen möchte, worauf sie in Zukunft werden verzichten sollten.

Und doch sollte das, was „Verzicht“ und „verzichten“ bedeutet, nicht verdrängt werden. „Verzichten“ heißt, etwas aus innerer Überzeugung nicht in Anspruch nehmen. Etwas weglassen. Gerade ein solches „Verzichten“ scheint überlebenswichtig zu werden. Denn das uneingeschränkte Auspressen von Mensch und Natur – das wird immer klarer – hat fatale Konsequenzen. Darum, denke ich, ist folgende Frage wichtig:
Wie können Menschen sich beschränken? Wie können sie etwas von dem unterlassen, was sie wissenschaftlich, technisch oder militärisch ins Werk setzen könnten? Von sich aus, ohne Zwänge und Drohgebärden von außen. Was könnte sie motivieren?

Mir kommt eine eigenartige Gewinn- und Verlustrechnung in den Sinn, die weiterhelfen kann. Jesus sagt einmal: Wer mit mir auf meinen Wegen unterwegs ist, findet das Leben – gerade dann, wenn er es zu verlieren scheint (nach Matth 16,25). Wie soll das gehen? Das haben die erfahren, die mit Jesus gezogen sind, die Fischer vom See Genezareth. Und viele Frauen und Männer nach ihnen - in der Geschichte der Christenheit. Sie haben auf Vermögen und Privilegien verzichtet und so ein erfülltes Leben gefunden.

Etwas verlieren und dabei gewinnen. Mir wird das besonders klar, wenn ich von einer Reise zurückkomme und beim Auspacken feststelle: Selbst, was in einen Koffer passt, reicht für Wochen und mehr. Du hättest gar nicht alle die Schuhe und Hemden und Bücher gebraucht. Urlaub ist für mich immer wieder ein kleines Versuchslabor für ein „Mit weniger leben!“
Viele erleben Urlaube auf diese Weise und genießen es, mit weniger materiellen Gütern Geist und Seele zu erquicken. Eine Spiritualität, in der Weglassen und Verzichten neu entdeckt wird, soll nicht Genüsse verfeinern oder steigern. Darum geht es Jesus nicht. Er soll uns aus den Zwängen dieser Welt befreien: Versuch nicht so viel wie möglich aus deinem Leben und dem Anderer herauszupressen! Lass genug, genug sein! Dann werden auch die Ressourcen dieser Erde nicht weiter überstrapaziert.

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